Einen guten Thriller zu machen – oder besser gesagt, als Zuschauer einen gut gemachten Thriller zu finden – ist heutzutage wohl sehr schwer geworden. Kaum gibt es noch Filme, die nicht vorhersehbar sind, voller aufgebauschter Liebeleien oder unglaubhafter Bösewichte.
Contraband ist einer der Filme, die einen positiv überraschen – überraschen, dass den heutigen Filmemachern doch noch nicht die Ideen ausgegangen sind. Die „twists and turns“, die einen guten Thriller ausmachen, unerwartete Wendungen also, waren es, die mich am neuesten Werk von Mark Wahlberg so fasziniert haben. Niemand will einen 0815-Thriller sehen, bei dem man die Handlung schon exakt voraussehen kann. Filme mit solchen Wendungen sind z.B. der Film aus dem Jahre 2005, den man sich gerne mehrmals ansieht –Tony Giglios „Chaos“ – mit einem überraschend überzeugenden Jason Statham als Det. Conners. Wer hätte sich gedacht, dass der Transporter-Darsteller auch einmal der Bösewicht sein kann?
Ebenso bei Contraband ist man dann überrascht, wer eigentlich die Fäden hinter allem zieht. So überrascht war ich dann zu erfahren, dass Ben Foster – im Film der beste Freund von Mark Wahlbergs Charakter Chris Farraday - in der Rangordnung sogar noch über Giovanni Ribisis tattoobepackten Tim Briggs stand.
Zum Inhalt:
Chris Farraday (Mark Wahlberg) ist in Schmugglerkreisen eine Legende. Doch seine kriminelle Karriere hat er schon seit geraumer Zeit beendet. Längst hat er sich mit seiner Ehefrau Kate (Kate Beckinsale) und den zwei gemeinsamen Söhnen häuslich niedergelassen. Doch nachdem sein Schwager Andy (Caleb Landry Jones) ein Drogengeschäft vermasselt, zwingt dessen skrupelloser Boss Tim Briggs (Giovanni Ribisi) Chris nun, Andys Schulden zu begleichen und das zu tun, was er am besten kann: schmuggeln.
Mit Unterstützung durch seinen besten Freund Sebastian Abney (Ben Foster) stellt Chris notgedrungen eine Crew auf die Beine, darunter ist auch sein Jugendfreund Danny Raymer (Lukas Haas). Der Plan ist mit dem Schiff nach Panama überzusetzen, um Millionen Dollar Falschgeld in die USA zu holen. Alles soll unter dem wachsamen Blick des Schiffskapitäns (J.K. Simmons) über die Bühne gehen, der schon viele abenteuerliche Erfahrungen mit Chris‘ Vater gemacht hatte - und den jüngeren Farraday nun umso misstrauischer im Auge behält.
Aber der Coup misslingt. Und Chris bleiben nur wenige Stunden, um doch noch an das Geld zu kommen. Er muss all seine Fähigkeiten einsetzen, um das brandgefährliche Verbrecher-Netzwerk der brutalen Panama-Drogenbosse mit Gonzalo (Diego Luna) an der Spitze samt Polizei und Auftragskillern auszumanövrieren - und so seine Frau und Söhne auszulösen, die als nächstes auf der Abschussliste stehen…
Ich hatte eigentlich nicht viel Ahnung, was mich erwarten würde. Ich versprach mir auch ehrlich gesagt nicht sonderlich viel. Einen soliden Actionthriller eben. Im Grunde genommen war ich nur wegen einiger der Schauspieler im Kinosaal – allen voran dem großartigen und leider viel zu unbekannten Ben Foster – und war dann doch relativ positiv überrascht vom Ergebnis.
Die Szene, auf die der ganze Film ausgerichtet war – der Tausch des Falschgeldes – in der die Gang unwissentlich einen Pollock mitgehen lässt, zählt mitunter zu den spannendsten Szenen des Filmes und einer der Gründe, warum ich am Ende doch mit einem sehr positiven Gefühl den Kinosaal verlassen habe. Vom Abgang vom Containerschiff bis zur Schießerei rund um die Schmuggelware bis hin zur Reinigung des mit Blut beschmutzten Autos war alles extrem spannend gemacht.
Auch wenn die schauspielerische Leistung von Mark Wahlberg wie immer nicht weit über eine oberflächliche und halbherzige Darstellung hinausging – möglicherweise hält er sich deshalb lieber als Produzent im Hintergrund? - konnten doch einige der Schauspielerkollegen überzeugen. Giovanni Ribisi und Ben Foster gleichermaßen geniale Schauspieler. Sympathisch isser halt, der jüngere Bruder seines talentierteren Bruders Donny Wahlberg.
Ich für meinen Teil habe eine Schwäche für Schauspieler, die zu wenig von der Filmindustrie zu schätzen gewusst werden – in dieses Schema passt Ben Foster jedenfalls. Mich verwundert es nicht, dass er so unbekannt ist, wie er eben ist (hierzulande jedenfalls). Jemandem, der so viel Talent hat, liegt vermutlich das Endergebnis des Stückes selbst – also des Filmes – mehr am Herzen als selbst im Rampenlicht zu stehen. Ben Foster hat den Ruf, eigenen Text an Schauspielerkollegen zu vergeben, wenn er der Meinung ist, es würde dem Film besser tun. Darum ist er auch weit besser und talentierter, als viele im Business und wird wohl immer Rollen angeboten bekommen. Und warum z.B. ein Michael Fassbender beim Publikum besser ankommt und mit Preisen überhäuft wird als der aus meiner Warte aus weitaus talentiertere X-Men-Kollege James McAvoy, ist mir sowieso ein Rätsel. Aber Hollywood muss man ja nicht verstehen.
Tim Briggs (Giovanni Ribisi, links), Sebastian Abney (Ben Foster, rechts)
© Universal Pictures
An Klischees kam der Film selbstverständlich nicht komplett vorbei. Die Darstellung des Tim Briggs‘ (Giovanni Ribisi) entsprach voll dem, was man sich unter einem knallharten Gangleader vorstellt – mit Tattoos am ganzen Körper bespickt und zurückgegelten Haaren. Im Grunde entsprach das dem, was Ben Foster damals 2007 in „My Name is Earl“ als Knastbruder Glenn, der Earl (Jason Lee) das Leben im Gefängnis schwer machte, ablieferte. Durch das Äußere, das eben gößtenteils von Tattoos bestimmt war, fällt es Glenn in der Außenwelt besonders schwer, nicht für einen Schwerkriminellen gehalten zu werden. Dadurch deutlich gemacht, als er an einer Frau im Supermarkt vorbei gehen will, diese panisch ihre Tasche fester in Händen hält - Ben hat daraufhín nur ein Augenrollen für die werte Dame über. Aber da sieht man wieder, dass man die Wichitgkeit des Äußeren nicht unterschätzen sollte. So erwartet man von einem Giovanni Ribisi in dieser Aufmachung eben genau das, was ein Gangster eben so tut. Für mich als Ben-Foster-Fan war diese Parallele jedenfalls sehr lustig, auch wenn die Referenz vielleicht nicht beabsichtigt war.
In einem Buch, das mir meine Schwester vor Jahren zum Geburtstag schenkte, werden die größten Hollywood Klischees aufgelistet. Da kommen mir die einprägsamsten Beispiele bei jedem Film hoch, den ich mir ansehe – also, wer ist der Bösewicht? Der reiche Weiße mit dem Anzug, dem Mercedes, vorzugsweise mit Stock und Hut – oder zumindest mit Hut. Außerdem Raucher muss er sein. Der Gute ist entweder militanter Nichtraucher oder Raucher, der verzweifelt versucht, aufzuhören – in Form von Nikotinkaugummis oder –pflaster. Man braucht sich da nur einen Bruce Willis als John McClaine ansehen. Wer kennt ihn nicht, der gute Cop, der fluchend versucht, sich eine Zigarette anzustecken, es aber den ganzen Film über nicht schafft – aus welchem Grund auch immer.
In Punkto Contraband hieß das für mich, dass Sebastian Abney (Ben Foster) mit seinen Nikotinpflastern, Chupa Chups und der AA-Selbsthilfegruppe der Gute sein muss. Und immerhin war er einer der engsten Freunde von Mark Wahlbergs Farraday. Weit gefehlt, wie sich am Ende herausstellte.
Gegen Ende des Filmes lässt er sich natürlich gehen und besäuft sich wieder. Und es kommt heraus, dass er eigentlich nicht „gut“ ist. So versucht er Kate, die nach kurzem Kampf mit dem rückfällig gewordenen Alkoholiker Sebastian von ihm aus Versehen bewusstlos geschlagen wird, aus Verzweiflung auf seiner Baustelle einzuzementieren. Für mich einer der überraschendsten twists des Filmes, denn ich war mehr als überzeugt davon, dass sich dieses Klischee des "guten Nichtraucher" bewahrheiten würde. Und Foster war mehr als überzeugend sowohl als Unschuldslamm als auch als verzweifelter Fast-Mörder der Ehefrau seines besten Freundes.
Kate Farraday (Kate Beckinsale, links), Chris Farraday (Mark Wahlberg, rechts)
© Universal Pictures
CONTRABAND - 2012
Cast: Mark Wahlberg, Kate Beckinsale. Ben Foster, Giovanni Ribisi, Lukas Haas, Caleb Landry Jones, Diego Luna, J.K. Simmons, David O'Hara
Regie: Baltasar Kormákur
Sabine Stenzenberger
Bildmaterial und Kurzinhalt: © Universal Pictures
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