„In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne von 1872 kennt jeder, aber kennen Sie dieses Stück mit einer derart positiven Sicht auf eine Frau? In dem von dem Annette Raffalt inszenierten Stück erhält die einzige Frauenrolle eine zentrale Bedeutung.
Aonda (Liliane Amuat), die indische Prinzessin, tritt bereits zu Beginn gemeinsam mit Passepartout (Sven Dolinski) als Erzählerin der Rückblende auf. Damit wird von Anfang an in diesem von Männern dominierten Stück einer Frau eine bedeutende Rolle zugeschrieben.
Als Aonda tritt sie dann erstmals in Bombay auf, wo sie mit dem greisen Maharadscha verheiratet wird. Sie ist es, die bei ihrer Hochzeitsfeier Phileas Fogg entdeckt, auf ihn zugeht und ihn zum Tanzen mobilisiert.
Als im indischen Dschungel ihr Gatte verstirbt, weiß sie, was auf sie zukommt. Wir erfahren, dass es in Indien, sogar in manchen indischen Gegenden auch heute noch, üblich war, dass die Witwen lebendig mit ihrem verstorbenen Gatten verbrannt werden.
Aonda revoltiert gegen diesen Brauch. Sie geht auf Phileas Fogg (Peter Knaack) zu und sagt ihm, was sie will, nämlich, von ihm versteckt zu werden. Leider ist Phileas Fogg noch zu sehr konzentriert auf seine Wette, sodass er ihrem Wunsch nicht allzu viel Bedeutung zuschreibt und Aonda entführt wird.
Doch Aonda hat noch einen Verehrer, Passepartout (Sven Dolinski), der als Mann für sie nicht interessant ist, da er zu kindlich, jung und außerdem nicht ihrem Stand entsprechend ist. Passepartout lässt sich aber nicht abhalten, sie zu begehren und tut alles, um sie aus den Fängen der Familie ihres verstorbenen Gatten zu befreien. Mit Erfolg.
In Hong Kong kommen sich Aonda und Phileas dann näher. Sie ist nicht auf den Mund gefallen. Als Phileas beginnt: „In einigen Jahren wird man in kürzester Zeit die Erde umkreisen können, sind sich die Völker viel näher, und dann wird es nicht mehr außergewöhnlich sein, wenn ein Engländer…“ beendet Aonda den Satz mit „…eine indische Frau liebt“.
Es ist Aonda, die Phileas davon überzeugt, dass die beiden am besten selbst den verloren gegangenen Passepartout suchen – den sie dann auch finden.
Aonda ist sich sicher, dass Phileas niemals ein Verbrechen begangen hat, egal wie viele Indizien dafür sprechen, wovon sie auch Passepartout überzeugen kann.
Auch wenn es Aonda manchmal lieber wäre, Phileas werfe manche seiner Prinzipien über Bord, so erwartet sie von ihm niemals, sein Leben für sie aufzugeben.
Es ist Aonda, die es nicht glauben kann, dass Phileas seine Wette plötzlich nicht mehr wichtig ist und er noch vor Ablauf der Zeit, bereits in London, allerdings im Gefängnis, aufgibt. Das regt Phileas wiederum an, eine Lösung zu finden, sich auch für Aonda anzustrengen, und so schafft er es, rechtzeitig im Club anzukommen und seine Wette zu gewinnen.
Auch hier bekommt die Frau einen besonderen Auftritt. Aonda kommt mit Phileas mit in den Club, was 1872 nicht möglich gewesen wäre.
Ein erfrischendes Stück, mit genialem Bühnenbild und farbenprächtigen Kostümen. Das Orchester spielt in einer Blase sichtbar gemacht im Hintergrund der Bühne. Sehenswürdigkeiten werden mit Erläuterungen, dass sie damals noch gar nicht bestanden haben, zum besseren Wiedererkennungswert auf die Bühne gebracht. Der Indianerhäuptling (Daniel Jesch) imponiert nicht nur mit seiner tiefen Stimme, sondern auch mit seinem sehenswerten Six-pack. Mit viel Komik werden die einzelnen Szenen gespielt, der etwas tollpatschige Detektiv Fix (André Meyer) ist der Liebling der Kinder. Die Schauspieler reagieren auf Zurufe der Kinder, und aus dem Publikumsbereich kommen Zeitungsjungen (dargestellt von Frauen (Jan Horst und Sophie-Christine Behnke), und auf die Sensationslust der Zeitungen anspielend), aber auch Cowboys, die das Publikum mitten ins Geschehen bringen.
Ein Erlebnis für Groß und Klein!
Publikumsliebling ist der mit französischem Akzent sprechende Passepartout („ich komme überall durch“) der stürmisch-jugendlich von jeder Frau begeistert ist und sich nicht von Standesunterschieden oder Abweisungen, als ihm eine Frau sogar eine Ohrfeige gibt, abhalten lässt. Obwohl er gerade eine Frau erobert hat, stürzt er sich für eine andere Frau ins Meer, um sie zu retten (Dies, während Phileas nichts als seine Wette im Kopf hat, was ihn nicht besonders attraktiv macht).
Passepartout ist lebenslustig, genießt jeden Moment; ansteckend sind seine Tanzbewegungen, sobald von irgendwo Musik ertönt.
Die Frau entscheidet sich dennoch für den reiferen Mann, nämlich den mit Lebenserfahrung und einem Ziel vor Augen.
Ein großes Kompliment an das gesamte Team!
Regie: Annette Raffalt
Bühnenbild: Bernhard Kleber
Kostüme: Ele Bleffert
Musik: Parviz Mir Ali
Video: Stephan Komitsch, Peer Engelbracht
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Claudia Kaufmann-Freßner
Elena, 9 Jahre:
Mir hat es sehr gut gefallen. Am besten hat mir gefallen als sie mit dem Heißluftballon über Europa geflogen sind. Es war sehr lustig. Der lustigste Charakter finde ich war Detektiv Fix. "Ich heiße Fix, ich handle Fix und kenne alle Tricks". Eine kindgerechte Vorstellung. Sehr Empfehlenswert. Cooles Bühnenbild.
In dem Extra-Burg-Blatt erfahren nicht nur Kinder über die Hintergründe der Zeit, oder auch Zeitzonen, über Bräuche unterschiedlicher Kulturen und Kinder konnten an einem Malwettbewerb mitmachen.
jr
Fotos: Reinhard Werner