Abweisung Beweissicherungsantrag Rat Mag. Maierhofer zu 18 Nc 6/18t vom 15.2.2018:
„Hinzu kommt, dass Helene Wasner in einem Teil der oben angeführten Verfahren selbst als Klägerin auftritt, weshalb ihre Einvernahme als Partei in diesem Zusammenhang nicht möglich ist, zumal sich aus dem klaren Wortlaut des § 384 Abs 1 ZPO ergibt, dass lediglich die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, nicht jedoch Parteien, von einer Beweissicherung umfasst sind. Diesbezüglich wird auch auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 18.02.1935, EvBl 1935/256, verwiesen.“
OLG, Beschluss Beweissicherungsantrag zu 41 Cg 6/18y bzw. 4 R 82/18p vom 13.6.2018:
Binnen vier Monaten liegen in puncto Beweissicherungsantrag zwei völlig unterschiedliche Entscheidungen vor. Der Richter des BG Liezen kam zur Erkenntnis, dass die Beweissicherung NUR auf Zeugeneinvernahmen anzuwenden sei. Nicht möglich sei die Beweissicherung bei Parteieneinvernahmen.
Der Senatspräsident des Oberlandesgerichts Graz, Dr. Rothenpieler, sowie die Senatsmitglieder, Richterinnen Dr. Angerer und Mag. Zeiler-Wlasich wiederum gelangen zur Erkenntnis, dass die Beweissicherung auch auf die Parteieneinvernahme anzuwenden ist.
Diese Rechtsansicht der OLG Graz erscheint auch logisch, weil auch ein Kläger oder Beklagter bzw. dessen Rechtsnachfolger ein Recht darauf haben, dass Beweise, die ihren Prozessstandpunkt bestätigen, erhalten bleiben, auch wenn sie selbst sterben, bevor sie als Partei einvernommen werden können. Noch deutlicher wird es, wenn es mehrere Parteien gibt, und die überlebende Partei das Verfahren fortführen muss, ohne dass ihr der Beweis der Aussage der verstorbenen Partei zur Verfügung steht.
In Österreich dauern Gerichtsverfahren extrem lange. Es kann passieren, dass es auch Jahre dauert, bis es überhaupt zu einer Parteieneinvernahme kommt. Gerade bei alten oder kranken Menschen ist der Faktor Zeit eine wesentliche Komponente.
Die Frage ist nur, und hier scheint es ein Problem der Richter-Ausbildung zu geben, warum ein Richter des Bezirksgericht Liezen nicht weiß, dass es die überwiegende und überzeugende Ansicht laut Lehre ist, dass die Beweissicherung auch für Parteien gilt.
Weiters scheint auch überprüfenswürdig, warum Rag Mag. Maierhofer vom Bezirksgericht Liezen eine Entscheidung aus dem Jahre 1935 für seine Begründung heranzieht. Die Jahre ab 1933 bis 1945, also die so genannte „Nazi-Zeit“, sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass Menschen- und Parteienrechte praktisch inexistent waren. Eine Entscheidung aus einer Zeit der Diktatur heran zu ziehen und noch dazu als einzige Belegentscheidung (!) zu zitieren wirft kein gutes Licht auf die österreichische Nachkriegsrechtsprechung.
Der Rechtsuchende muss sich auf Gerichte und Richter verlassen können und es muss ihm auch durch das Verhalten und die Entscheidungen der Richter möglich sein, diese zu respektieren.
Manche mögen hier ein zu vernachlässigendes Detail ersehen. Das stimmt aber nicht. Es hängen oft Existenzen von Urteilen ab. Wird zu Unrecht die Beweissicherung unter dem Vorwand, dass diese auf Parteien nicht anwendbar ist, und stirbt diese Partei sodann, ohne eine Aussage gemacht zu haben, kann dies verfahrensentscheidend sein.
Auch Parteien müssen vor Gericht die Wahrheit sagen, genauso wie deren Rechtsvertreter nur wahres Vorbringen erstatten darf. Alles andere wäre Prozessbetrug.
Wenn man also die Parteienaussagen genauso ernst nimmt, wie die Zeugenaussagen und nicht der Meinung ist: „Das ist eine Partei. Der kann sagen, was er will. Das muss nicht wahr sein.“, dann muss man unweigerlich zum Schluss kommen, dass der Beweissicherungsantrag auch für die Parteien gelten muss.
Titelbild: Paragraph, Autor: G Ambrus (zugeschnitten)