Vor einem Jahr starb Michael Jackson. Als King of Pop wird er in Erinnerung bleiben, doch ebenso als „Produkt einer nie erlebten Kindheit“.
Fans aus der ganzen Welt reisten vergangenen Freitag nach Los Angeles, um die letzte Ruhestätte von Michael Jackson zu besuchen. Während die Fans trauern, scheint die Familie des verstorbenen Pop-Stars nur eines zu interessieren: Geld. Gerade an Michaels Todestag verklagte sein Vater Joe Jackson dessen Leibarzt auf Schmerzensgeld.
Was eigentlich makaber klingt, scheint für die Jacksons ganz normal zu sein. Denn statt Elternliebe gab es schon in der Kindheit nur Schläge des Vaters, vor dem Michael sogar noch als Erwachsener zitterte. Seine Angst saß so tief, dass er sich manchmal sogar vor Nervosität übergeben musste, wenn er seinen Vater traf.
Für viele war Michael Jackson ein skuriller Irrer, was ihm auch den Spitznamen „Wacko Jacko“ bescherte: Er ließ seine Haut bleichen, bis er komplett weiß wurde. Seine Nase wurde so oft operiert, dass am Ende fast nichts mehr davon übrig blieb. Psychologen deuteten die drastische Veränderung seines Aussehens als Versuch, sich vom Ebenbild des Vaters zu distanzieren.
Michael Jackson war gewiss in vielerlei Hinsicht verrückt, extravagant und abgehoben, doch um ihn zu verstehen, muss man wissen, dass seine Kindheit bereits mit fünf Jahren endete.
Fast schon bilderbuchartig zeigt sein Leben auf, was aus einem Kind wird, das nie Kind sein durfte: Es wird nie erwachsen.
Nicht umsonst hieß sein Zuhause „Neverland Ranch“, der Name des Landes, in dem Peter Pan wohnt, der Junge, der nie erwachsen werden wollte. Michael durfte nicht zum Spielplatz, so wie die anderen Kinder. In seiner Autobiographie „Moonwalk“ (1988) schilderte er den harten Drill durch seinen Vater. Schläge mit Gürtel und Rute waren keine Seltenheit. In seinem Song „Childhood“ (1995), den er selbst als ehrlichsten und autobiografischsten bezeichnet, heißt es: „It’s been my fate to compensate, for the childhood I’ve never known“.
Als Erwachsener umgab er sich am liebsten mit Kindern. Seine eigenen drei Kinder wuchsen, abgeschottet von der Außenwelt, auf der Neverland Ranch auf. Michael wollte nicht, dass sie – wie er selbst - im Rampenlicht aufwachsen.
„Wir alle sind das Produkt unserer Kindheit“, sagte er, „Aber ich – ich bin das Ergebnis einer nie erlebten Kindheit, diese wertvolle, wundersame Zeit, in der wir gedankenlos herumtollen, hat es für mich nie gegeben. Im Alter von fünf Jahren begann meine Karriere. Oft musste ich weinen, wenn ich ins Aufnahmestudio ging und andere Kinder draußen spielen sah.“
Sein ganzes Leben lang versuchte Michael Jackson diese Kindheit nachzuholen. Gelungen ist es ihm nicht.
(mf)
Foto:Bild: Keir Whitaker