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23.05.2010  |  Kommentare: 0

Sexualität als Tabu in Theater und Literatur?

Sexualität als Tabu in Theater und Literatur?
Ein Literaturverbot bewegt die Schauspieler in „Der Fall Esra“ in der Wiener Garage X dazu, mehr Sexualität in ein Theaterstück einzubauen.

Dass Sexualität ein viel zu seltenes Gesprächsthema ist und höchstens als peinlich empfunden wird, wird auf der Bühne thematisiert. Obwohl Sexualität jeden angeht und ein gesundes Leben und das Leben an sich erst ermöglicht, wird geschwiegen. Doch warum?

Martin Billa hat mit seinem Buch „Esra“ einer türkischstämmigen Schauspielerin ein Liebesgeständnis geschrieben. Dieses wurde aufgrund der Beschreibungen der initimen Szenen verboten, womöglich nicht zuletzt wegen der jüdischen Wurzeln des Autors.

Die Regisseurin Angela Richter stellt eine bedeutende Frage: „Ist die Sexualität in der Literatur ein Tabu? Sollte man sie, um sie präsentabler für den Zuschauer zu machen, etwas künstlerisch ausschmücken?“ Diese (rhetorischen) Fragen richten sich an das Publikum.

Ist denn die Sexualität im Theater eigentlich ein Tabuthema? Für die Schauspielerin und Regisseurin ist die Antwort eindeutig: Im Theater wird Sexualität offen und in ihrer natürlichen Form gezeigt. Die Gegenargumentation lautete, dass eh schon genug nackte Körper gezeigt werden.

In der Beschreibung der intimen Szene mit Esra ging Martin Billa ins Detail, was seine Empfindungen und Emotionen anging. Sie ist schwanger mit einem Kind, dessen Vater er nicht ist. Er hat naturgemäß keine Gefühle zum fremden Sprössling, jedoch zur Frau, die in der Schwangerschaft richtig aufblüht, empfindlicher und viel emotionaler ist. Als einen Fluss, eine Wolke, die sich über die ganze Stadt zieht, beschreibt er seinen Samenerguss, worauf auch ein befragter Zuschauer fasziniert andeutet. „Es ist einerseits unglaublich und andererseits sehr traurig. Vor allem, weil wir alle in dem drinnen stecken und immer wieder jemanden Neuen kennen lernen, uns an den anpassen, ausprobieren.“ Martin Billa konnte diese Traurigkeit ebenso verspüren, vor allem, weil er in den Bauch von Esra kein neues Leben pflanzen und sich somit nicht weiter reproduzieren konnte.





Das Bühnenbild von Katrin Brack, bestehend aus von der Decke hängenden Lampen, erinnert an einen Irrweg, von dem man unbedingt weg will. Nur ein Stuhl, keine Tische, keine Möbel. Die Kostüme der weiblichen Figuren (Britta Leonhardt) waren mit einem besonderen „Püppchencharme“ versehen: Rüschen und breiter Rock, wie bei einer Balletttänzerin.

Der volle Saal der Garage X, in dem sich viele Gäste wegen der ausgebuchten Vorstellung auf die Treppe setzten mussten, tobte vor Begeisterung, das gewählte Thema fand vollsten Anklang, und auch die Schauspieler Sebastian Blomberg, Yuri Englert, Dietrich Kuhlbrodt, Melanie Kretschmann, Oana Solomon und Christoph Theußl waren überzeugend.
 
Regisseurin Angela Richter zum Thema Sexualität auf der Bühne: „Finden Sie, es gab viel zu viel Sex in dem Stück? Zumindest im Vergleich mit dem, was heutzutage im Internet abläuft, sind wir noch harmlos.“
 
„Der Fall Esra“, nur noch am 22. Mai um 20:00 im Theater am Petersplatz in der Garage X in Wien.

(vs)

Fotos: Arno Declair


 

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