Als Jimmy, der sich auf die Seite von Catherine, der neuernannten Konzernleiterin, geschlag
en hat und nun die Macht seiner Taten, seiner durch Verletzung durchgesetzten Taten, hautnah spürt, verspürt er nun eine gewisse Macht über seinen Vater. Zuerst wurde er von allen verletzt. Von Beth (Birgit Stöger), die seine Liebe nicht anerkennt, von seinem Vater, der ihm keine Sicherheit und Geborgenheit gegeben hat. Was er an seelischen Qualen verspürt hat, projiziert er in die körperlichen Schmerzen. Er lässt alle zumindest körperlich erleben, was ihm angetan wurde. Seinem gefallenen Vater bricht er ein Armgelenk, hält sich jedoch zurück ihm das zweite zu brechen. Jimmy lernt zu vergeben. Er lernt seine Verletzungen zu negieren, neu zu starten, ohne andere zu zerstören. Am Ende des Stückes erkennt man Jimmy nicht mehr. Denn als er seinen am Boden zerstörten Vater nach langer Suche wiederfindet und es zu der Frage kommt „Was machen wir mit ihm?“, antwortet er klar und deutlich „Wir nehmen ihn mit. Er ist mein Vater. Er ist mein Vater“.
Zuschauer verlassen den Raum, nachdem ein Kannibalismusakt auf der Bühne aufgeführt wird
Horrorfilme sind ein Bestandteil der Kinoproduktion. Diese erlangen immer mehr an Popularität. Der Kinozuschauer verträgt unglaublich viel Grausamkeit. Nicht aber der Theaterzuschauer. Denn nach dem Kannibalismusakt von Richard, der sich durch die Niederlage von Catherine stärken wollte, verlassen einige Zuschauer den Zuschauerraum. Der halb gefüllte Saal des Schauspielhauses Graz wird nach der Pause noch um einige Besucher leerer. Der Theaterzuschauer verträgt keine Gewalt und Grausamkeiten auf der Bühne. Das Stück „Die Götter weinen“ ist jedoch von diesen gefüllt. Unsere Redakteurin ist zu dem Schluss gekommen, dass körperliche Gewalt dem Ausdruck der nicht geäußerten seelischen Schmerzen, die man nicht anders zu verarbeiten weiß, dient.
Der zweite Akt ist zum ersten Akt wie Yin zu Yang, wie Schwarz zu Weiß, er stellt einfach im Gegensatz zum ersten Akt, gefüllt mit seelischen Schmerzen, Unsicherheiten, Gewalt, Ruine, eine perfekte Situation der Ausgeglichenheit, der seelischen Ruhe dar. Colm findet seinen Platz nicht mehr im seinem alten Leben und geht daher zu Barbara (Katharina Klar), der Tochter eines von ihm zerstörten Rivalen. Nichts ahnend nimmt Barbara den verletzten alten Mann auf. Colm lernt sie besser kennen, erkennt in ihr eine starke junge, selbstbewusste Frau, die ihre Verletzungen beiseitegelassen hat und die nach vorne schaut. Gleichzeitig hat sie eine Seele. Sie wäre perfekt für sein Unternehmen. Begeistert von ihrer Person macht Colm eine Bemerkung: „Du bist das Beste, was ich je geschaffen habe“.
Weibliche Sexualität als letztes Mittel zum Zweck
Bemerkenswert ist, dass im Stück „Die Götter weinen“ weibliche Sexualität als Mittel zum Zweck eingesetzt wird. Beth, die Jimmy nicht liebt, will sich aus ihrer Situation mittels ihrer körperlichen Hingabe befreien. Catherine versichert sich der Unterstützung von Jimmy, indem sie ihren „kleinen braven Soldaten“ fickt. Verzweifelt von ihrem Niedergang bläst Catherine
Richard einen. Anna Badora setzt weibliche Sexualität als Mittel zum Zweck ein, als letzte Möglichkeit, am Erfolg teilzunehmen. Keiner der Männer nimmt jedoch derartige Angebote an. Wollte Anna Badora damit ein Zeichen setzen?
„Die Götter weinen“ hat einen tieferen Sinn. Das Stück setzt sich von den üblichen Theaterstücken ab, indem es starke Menschen darstellt, vor allem starke Frauen, die jedoch in ihrer Verzweiflung zu den alten gesellschaftlichen Methoden zurückgreifen. Den nervenschwachen Menschen wird jedoch aufgrund der sich mehrfach wiederholenden Kannibalismus- und Gewaltakten davon abgeraten, das Stück zu besuchen.
Foto: Lupi Spuma/ Schauspielhaus Graz