Am Dienstag, den 20.11.2012, füllte sich der Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen in Wien mit wissbegierigen Zuschauern und der sensationsgeilen Presse.
Estibaliz C. trug wie am ersten Prozesstag ein graues Minietuikleid. Die Brille hatte sie die ganze Zeit auf der Nase, die rot gefärbten Haare halb offen, halb als Zopf gebunden. Ihr Blick wanderte von der Zeugenbank auf die Richterin Frau Susanne Lehr. Man sah ihre enorme Anspannung, die Nervosität und den Druck. Ihre Knie zitterten, sie biss sich immer wieder auf die Lippen und verkroch sich vollkommen in ihrer Opferrolle.
Estibaliz C. ist eine Frau, eine Mutter, eine Ehefrau, eine Doppelmörderin. Bei einem Prozess im Schwurgerichtssaal laufen bis Donnerstag die Verhandlungen - am 22.11.2012 kommt dann die Entscheidung. Wie wird sich Estibaliz C. für ihre Taten, die sie bereits am ersten Verhandlungstag gestanden hat, verantworten müssen? Wie hart wird die Strafe sein? Ist sie eine kaltblutige berechenbare Mörderin? Oder ist sie eine durch Unterdrückung und Unterwürfigkeit zerstörte kranke Frau, die psychiatrische Behandlung benötigt? Und sollen bzw. sollten Männer – zumindest jene, die mit ihr ein Verhältnis hatten - Angst von ihr haben?
www.die-frau.at war bei der heutigen Verhandlung im Schwurgerichtssaal im Landesgericht für Strafsachen vor Ort.
Heute fanden die Zeugeneinvernahmen statt. Einige enthüllten neue Tatsachen, andere Umstände, wie der Verzicht auf eine Aussage seitens des aktuellen Ehemannes von Estibaliz C., dämpften die Stimmung.
Daniela Furioso, die bei der Verhaftung von Estibaliz C. in Italien vor Ort war, erzählte von den erschreckenden Details, die sie dieser jungen Frau nie zutrauen würde. Obwohl sie die Angeklagte als eine verzweifelte, niedergeschlagene Person bezeichnete, zeugen ihre Taten von einer ausgesprochenen Unmenschlichkeit. Nachdem Estibaliz C. Holger H. einen Kopfschuss verpasste, feuerte sie weitere drei bis vier Schüsse, um sicherzustellen, dass dieser tot sei. Erst nachdem kein Blut mehr aus den Wunden kam, hörte sie auf. Mit einer zielgerichteten Taktik besorgte sie eine Motorsäge, im Folgenden auch Beton und ließ sich erklären, wie diese funktionieren. Außerdem strich sie das Zimmer, in der sie sich ihres Ex-Mannes entledigte, nach dem Putzten neu, was eindeutig von Logik und einer strategischen Taktik zeugt.
Frau Furioso erzählte unter anderem, dass sie von Frau Estibaliz C. gehört hatte, dass diese einen Psychiater aufgesucht hatte, um mit jemandem über die Taten zu sprechen und ihre Lasten ein wenig zu mildern. Die Wahrheit zu bekennen, wagte sie jedoch nicht und erzählte somit von Albträumen, die sie hatte. Der Psychiater verschrieb Ruhe gegen Müdigkeit und Stress und ließ die Sorgen Sorgen sein.
Über ihre Männer erzählte Estibaliz C. dem Psychiater, dass der 1.Mann zurückhaltender verschlossener Mensch mit wenig sozialen Kontakten war und der zweite Freunde bzw. Familienangehörige hatte, die durchaus präsent waren.
Es tue ihr leid, was geschehen sei, da es sich um anständige Menschen gehandelt hätte. Nur sah sie keinen anderen Ausweg und sieht es bis heute noch so.
Neue Einblicke ins Privatleben von Estibaliz C. und ihre emotionale Welt gibt die Zeugenaussage von Thomas Jungwirth, ihrer 3-4- monatigen Beziehung aus dem Jahr 2005. Herr Jungwirth brach die Beziehung ab, da diese in eine für ihn nicht akzeptable Richtung ging: Er sah sich und Estibaliz C. als Frau nicht auf einer Augenhöhe. Sie tat alles, um anderen zu gefallen - versuchte Dingen, denen sie nicht entsprach, gerecht zu werden. Bei der Einvernahme bezeichnete er sie als „Chaotin, aber auch ein äußerst bezauberndes Wesen", außerdem "gewinnorientiert und mit einem perfekt funktionierenden Eigenmarketing. Sie weiß sich zu präsentieren und ist eine schöne Frau". Andererseits war sie "unterwürfig, wenn man sie schärfer angesprach" und dann "hatte sie Tränen in den Augen“.
Ihrem Traum nachgehend, eine glückliche Familie zu schaffen, stolperte sie immer wieder auf präpotente Männer, so wie Holger Holz.. „Ich suche einen Mann und er will nur den Eissalon“, so Estibaliz. Trotz ihres Versuches schaffte sie es nicht, besser als ihre Mutter eine Familie zu bilden. Doch anstatt die Alarmglöckchen zu deuten und das Problem an der Wurzel zu packen, beseitigte Estibaliz C. das für sie offenkundigste Problem - den Mann. Eine wahrhaft moderne Methode, einem Problem zu entfliehen.
Müssen also alle Männer vor Estibaliz zittern? Die Entscheidung fällt auf alle Fälle am Donnerstag, den 22.11.2012
(vs)
Fotos: Image by Heisenberg Media