Mit Standing Ovations wurde die Rocky Horror Show in Wien begrüßt. Zu sehen war Richard O’Brien’s Schöpfung nach einer Neuinszenierung von Sam Buntrock – gekommen waren viele Fans, die die Atmosphäre der eines Rockkonzerts gleichen ließen. Die Halle erbebte unter dem Applaus, die Stimmung war ausgelassen und mitreißend, es wurde mitgetanzt, mitgesungen, mitgefiebert. Manche kamen verkleidet und mit Wasserpistolen, Knicklichtern etc., jedenfalls wurde die Handlung vom Publikum mitgelebt. Ein Erlebnis der Extraklasse, nicht nur für Fans.
Man mag sich jetzt darum streiten, um wen sich das Musical dreht - die Diva Frank’n’Furter (Rob Morton Fowler) oder Brad (John Hawkins) und Janet (Daisy Wood-Davis) - für Richard O’Brien ist die Frage schnell beantwortet: Den Mittelpunkt bilden Brad und Janet - das betont manierliche, ein wenig biedere Paar, dass durch unglückliche Umstände in die „affairs“ des Master’s des Frankenstein Place hineinrutscht. Ihr Wandel durch die Abgründe ihrer Seele findet seinen tieferen Hintergrund im Gesellschaftswandel des Amerikas der 50er Jahre und im damit zusammenhängenden Infragestellen des amerikanischen Traums, inklusive seinem „Abstieg“ im Wandel der Zeit. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war – kein Stein bleibt auf dem anderen.
Brad spielt die dominante Rolle in der Beziehung (I‘m here, there’s nothing to worry about) und Janet fügt sich perfekt der Rolle der gehorsamen, anlehnungsbedürftigen zukünftigen Ehefrau und Mutter (auch als Brad’s Mutter?). Doch im Frankenstein Place, inmitten von Grauen, Angst und Unzucht - wenn man es so nennen möchte - beginnt in ihr eine Einsicht zu wachsen; nämlich die, dass sie mehr ist als ein Anhängsel ihres Verlobten - sie entwickelt im Laufe der Geschichte mehr Selbstbewusstsein, sie entdeckt, was körperliches Verlangen heißt. Dazu kommt die Verwirrung, einen anderen Mann anziehend zu finden, jemanden, der noch dazu dem absoluten Schönheitsideal entspricht – Rocky (Sam Cassidy). Das blonde, blauäugige, durchtrainierte Bild von einem Mann ist eine Schöpfung von Frank’n’Furter, gedacht und gemacht, um ihn zu beglücken. Der „sweet transvestite from transsexual Transsilvania“ ist nämlich kein Kostverächter und will sein Kunstwerk ganz für sich - und ganz ehrlich Mädels – wer wird denn beim Anblick eines durchtrainierten Surferbodys nicht schwach? Da sich die Welt aber, wie er glaubt, nur um ihn dreht, ist er ganz und gar nicht erfreut, seinen Rocky mit Janet zu ertappen, obwohl er doch sonst sexuell so aufgeschlossen wirkt und auch keinen Halt vor Brad macht. Seine Selbstsucht kostet ihm dann aber auch das Leben - Hochmut kommt vor dem Fall, doch nicht nur ihm, sondern auch Rocky, für dessen Erschaffung er nicht davor zurückgeschreckt war, seinen Ex-Geliebten zu töten, welcher wiederum der exzentrischen Coumbia (Kerry Winter) etwas bedeutete (oder zumindest sein Motorrad).
Magenta (Dajlenga Scott) und der Diener Riff Raff (Matt McKenna) das diabolische Geschwisterpaar – die knisternde Spannung zwischen ihnen ist fast spürbar, also nur Geschwisterliebe? Man weiß es nicht. Auch Dr. Scott (Sean Kingsley), der Vater von Frank’n’Furter’s Exgeliebten sei hier noch erwähnt – allen andern an Exzentrik in nichts nachstehend. Diese Rockoper wimmelt also nur so vor skurrilen Persönlichkeiten.
Richard O’Brien packte Elemente des Rock’n’Roll, Burlesque sowie den Tanzstil der 50er und 60er in diese Komposition, ob die Originalfassung oder die Neuinszinierung nun besser ist, darüber lässt sich streiten. Aber fest steht, dass er damit ein Kultmusical voller Strapse, Dessous, Glitzer und Sex schuf, das die Zuschauer auch nach Jahren noch aus den Sitzen reißt – „bad, bizarre and bloody brilliant“.
Wer sich nur auf die Spuren des „Time Warp“ begeben möchte, um die Gesellschaft aus der mysteriösen Galaxie Transsilvanien hautnah zu erleben - die Rocky Horror Show kann frau sich im Wiener Museumsquartier noch bis zum 18. Dezember ansehen.
Weitere Termine in Österreich:
Olympiahalle, Innsbruck, 24. bis 26. Februar 2012
Salzburgarena, Salzburg, 28. und 29. Februar 2012
Festspielhaus, Bregenz, 2. bis 4. März 2012
Ihre Tour bringt das Ensemble natürlich auch nach Deutschland.
Nähere Infos dazu gibt’s auf www.rocky-horror-show.de
(mg)
Fotos: Thommy Mardo, mg