27.11.2010 |
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Christiane F.
Die Uraufführung nach dem Klassiker „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ fand am 24.11. im „Dschungel Wien“ statt. Unter der Regie von Karl Wozek ging der Abend glanzvoll über die Bühne.
Christiane F. wurde zur Berühmtheit durch ihr autobiographisches Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Dieses zeigt unverschönt, wie das Leben aus den Fugen geraten kann und wie wenig weit der Weg tatsächlich doch zur Flucht in den ungeahnten Abgrund ist. Der Abgrund ist tief, und ist man einmal unten angelangt, schafft man es kaum zurück in jene Gesellschaft, die man ohnedies verachtet.
Die Geschichte ist mittlerweile allerorts bekannt. Alles Übel begann mit einem Umzug. Christiane F. wird als Kind ihrem gewohnten Umfeld entrissen. Sie wird von Vater und Mutter vom idyllischen und naturgebunden Leben in eine unliebsame Großstadt gezerrt. Sehr originell wird dies in der Inszenierung anhand von kleinen Puppen dargestellt, was wiederum auf eine Leinwand übertragen wird. Bewegt, gesprochen und gefilmt werden jene Figuren vom bereits erwachsenen Sohn der bekannten Drogensüchtigen (gespielt von Charly Vozenilek).
Außer Rand und Band erzählt er die Geschichte seines Lebens und wie jenes von der Berühmtheit seiner Mutter mehr als erwünscht geprägt wurde. Ihr Leben war präsent in seinem, jedoch mehr im Sinne einer Achterbahnfahrt. Es ging auf und ab und nichts war sicher. Einmal war sie da und doch nicht wirklich anwesend, sie kurierte sich und wurde abermals rückfällig. Sie lag halbtod am Boden, wurde ins Krankenhaus gebracht, wo dem Jungen erklärt wurde, dass die Mama krank sei. Er wurde später sogar von ihr gekidnappt, da das Sorgerecht dem Jugendamt oblag. Er konnte dies in jungen Jahren noch nicht verstehen. Jeder kannte sie, jeder, der das Buch gelesen hatte, kannte sie besser als er selbst.
Zitat des Sohnes, Jan Niklas: „Ich verachte meine Mutter nicht. Ich mache ihr nur den Vorwurf, dass sie ihr junges beschissenes Leben an die Öffentlichkeit verkauft hat.“
Nach dieser dramatischen Einführung, kommt es zum Rückblick in das Leben von Christiane F. (gespielt von Sandra Selimovic). Ihr vierzehnter Geburtstag wird aufgeführt. Ihre Mutter (Marion Rottenhofer) bringt Christiane einen Geburtstagskuchen und trägt ihrer Tochter ein mit Stolz erfülltes Gedicht vor. Die Mutter wirkt zwar fürsorglich, doch andererseits sehr naiv. Sie lässt Christiane alle Freiheit, aus Überzeugung, dass diese ihren eigenen Weg finden werde. Danach tritt der brutale Vater Christianes auf (Robert Kahr). Er schlägt sowohl Mutter als auch Tochter. Nicht von ungefähr kam Christiane auf die schiefe Bahn.
Zuerst konsumiert sie „nur“ Haschisch, dann stillt sie ihren ersten Liebeskummer mit Valium. Als sie dann den bereits heroinsüchtigen Detlef (Charly Vozenilek) kennen lernt und sich dann in weiterer Folge unsterblich verliebt, übertritt sie die Grenze zu harten Drogen und spritzt sich erstmals selbst das Gift Heroin in ihre Adern. Sie wird abhängig, so abhängig, dass sie alles für Drogen machen würde und sich prostituiert. Am Nullpunkt angelangt, startet sie den Versuch eines Entzuges, es scheint immer wieder so, als würde sie es endgültig schaffen. Doch der Schein trügt.
Als Zuseher springt man bei dieser einmaligen Neuinszenierung von einer Szene in die nächste. Man lässt sich von der Geschichte mitreißen, ob man das Buch kennt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Wer es kennt, ist fasziniert von den wunderschönen Zusammenhängen, welche sich ergeben, wer nicht, bekommt Lust auf mehr. Regisseur Wozek beleuchtet die Geschichte von den verschiedensten Perspektiven. Einerseits ist da der erwachsen gewordene Sohn, der unter dem Berühmtsein seiner Mutter gelitten hat. Andererseits erlebt man die Sicht der Mutter, was diese zu durchleben hatte und welche Selbstvorwürfe sie quälten.
Und das Schlimmste, aber auch Schönste an der Vorführung ist, dass sich ein jeder ein Stück weit in Christiane F. wieder erkennen kann. Im Grunde kommt doch jede/r eines Tages an den Punkt, wo er/sie sich bewusst für oder gegen dieses sozial angesehene Leben zu entscheiden hat. Wer sich dagegen stellt, flüchtet oft in eine andere als besser empfundene Welt. Wohin die Flucht geht, liegt im Grunde an jedem Einzelnen. Typisch bei Jugendlichen sind Magersucht, Fettsucht, Alkoholabhängigkeit, Selbstverletzung bis hin zur Drogenabhängigkeit. Eines haben all diese Menschen gemeinsam: Sie flüchten vor der Gesellschaft, können und wollen sich nicht mit dieser identifizieren.
Dschungel Wien, das Theaterhaus für junges Publikum, präsentiert Christiane F. noch zu folgenden Terminen: Fr. 26. Nov. 10:30 + 19:30 / Sa. 27. Nov. 19:30 / Mo. 29. Nov. 10:30 + 19:30 sowie weitere Termine im Feb. 2011
(ik)
Fotos: Dschungel Wien