Es riecht nach Frühling, die Sonne droht schon förmlich mit Sonnenbrand, die Luft wird dicker und die jungen Männer und Frauen schlürfen durch die Straßen von Graz - nun nur mehr mit kurzer Hose und T-Shirt. Am Donnerstag, dem 16. März, kam der Frühling nach Österreich. Trotz der Wonne, die da draußen hinter den kalten Wänden und künstlich beleuchteten Räumen, zieht es jeden Wissens- und Erlebnisgierigen in die Wissensstätten - in Museen.
Bereits zum zweiten Mal (die wahren Kunstreunde, die wissen, dass Kunst in nur größerem Maßstab messbar ist, werden sicherlich an dieser Stelle kräftig kichern) ging ich ins Kunsthaus. Da ich mit zwei Kindern, meinem einjährigen Sohn und der sechsjährigen Clara, unterwegs war, richtete ich mich nach ihren Wünschen. Mein Wunsch ins Landeszeughaus zu gehen, lehnte Clara sehr schnell ab und bestand gleich darauf, ins Kunsthaus zu gehen. Obwohl ich zu ihr sagte, dass dort die Ausstellungen eher für Erwachsene als für Kinder wären, meinte sie, es mache nichts, sie liebe Kunst. Somit ließen wir drei - Clara, Jordan und ich - uns von der modernen Kunst überraschen.
Erfreut stellte ich fest, dass sich der Ihhalt in der aktuellen Ausstellung „The Urban Cultures of Global Prayers“ um einiges geändert hat. Was sich dann rasch in eine Enttäuschung umwandelte, denn die vorherigen Ausstellungsobjekte fand ich viel interessanter, wohl auch vor allem aus dem Grunde, dass es damals viel mehr Beschreibungen und Erklärungen dazu gab.
Auch bei den Ausstellungen von Sofie Thorsen „Schnitt A-A“ und Michael Kienzer „Logik und Eigensinn“ überließen die Künstler es dem Besucher, die Inhalte nach den eigenen Vorstellungen und aus den Kräften der eigenen Fantasie zu interpretieren. Es fehlte jegliche Art von Hinweis.
Im Endeffekt erwies sich moderne Kunst als nicht das Richtige für ein Kind. Außerdem hatte Clara nun folgendes im Kopf: die Rolltreppe, die eine Aufsicht der Ausstellung „The Urban Cultures of Global Prayers“ als „Mur“ bezeichnete. Die Inhalte und Absichten der Präsentationen blieben uns bis aufs Weitere fremd. Eine weitere "Wache" konnte uns einige Einblicke in die Gedanken- und Wahrnehmungswelt von Sofie Thorsen gewähren. Nämlich, dass die im Raum ausgestellten Objekte von einem Leben als Sehbehinderter, in der man die Umwelt wie in einem alten Stummfilm wahrnimmt, erzählt. Der Besucher darf nur raten, dass das gedämpfte Licht im Raum und die schwarz-weiß-Fotos, Videos, einige Präsentationen des ins Raum hineinbrechenden Lichtes darauf ein Hinweis geben sollten. Als Ausgleich und Kontrastdarstellung – die bunten Stahlstangen, die den Raum wahllos durchstachen.
In einem Raum mit vielen Blättern aus Stahl, Rohren, ganzen Rollen aus Linoleum, Teppichen, Gummibändern, Farbverdünner, Radiergummis, etc indem diese gesamten Schätze zu einigen "Bündeln" zusammengesetzt wurden und jeweils ein Kunstwerk darstellten, ließen wir unserer Fantasie freien Lauf. Das Hauptthema des Projektes filterte sich für uns jedoch sehr klar heraus: Es ging um den Raum und die Räumlichkeit und wie man unterschiedliche Sachen verbindet. Das Wichtigste war, dass man im Endeffekt den Titel des Buches „Und kann man darauf auch sitzen?" (im Dumont Verlag erschienen) widerlegt.
Wir sahen einen Haufen Brennholz, der in Silberfarbe ausgemacht wurde. Clara nannte ihn umgehend "Silberbarren". Weiter standen wir vor einer Skulptur, die an ein Balancespiel erinnerte. Es waren drei Bretter mit jeweils einem Eimer mit Farbverdünner. Zum Anhalten wurden diese durch Radiergummis gebracht. Ein wahrer Balanceakt aus Sachen aus dem alltäglichen Gebrauch. Als Letztes richtete sich unser Blick auf eine Röhre, die den gesamten Raum umwickelte. Diese erinnerte uns an eine Wasserrutsche und wir transportierten uns gedanklich ins Freibad.
Als wir uns dann anschließend auf den Weg zum Mittagsessen machten, kündigte Clara stolz an, dass sie einen Aufsatz zusammenfassen werde, in dem sie ihre Impressionen wiedergibt.
Der Besuch der Ausstellungen von Sofie Thorsen „Schnitt A-A´“ und Michael Kienzer „Logik und Eigensinn“ zeigten mir deutlich, wie eingeschränkt die eigene Fantasie ohne Vorwissen oder zusätzliche Information ist. Es ist wie im täglichen Leben: Wir sehen die Welt, nehmen Dinge jedoch nur beschränkt wahr, weil wir sie nicht interpretieren können, sondern wir immer erwarten, dass uns jemand alles vorkaut.
Die Kreationen von Sofie Thorsen und Michael Kienzer können bis zum 06. Mai im Kunsthaus bewundert werden.
Varvara Shcherbak
Fotos: UMJ/ N. Lackner