Das Theaterstück von Lucy Kirkwood „The Children“ erinnert an den Film „Gone with the Wind“ (Deutsch: „Vom Winde verweht“). Rose (einfühlsam und authentisch von Amanda Osborne gespielt) hat sich, als sie noch jung war, ein Leben mit Robin (Mark Elstob) ausgemalt.
Hazel (Anna Kirke), welche ebenfalls eine Parallelbeziehung zu Robin führte, ist allerdings schwanger geworden und hat ein Mädchen zur Welt gebracht, weswegen Robin sie heiratete. Rose führte weiterhin eine aus ihrer Sicht geheime Beziehung zu Robin, was Hazel allerdings bekannt war, und hasste insgeheim Hazel, welche einmal ihre beste Freundin war, und ihre Tochter und träumte insgeheim, mit Robin irgendwann ganz offiziell zusammen zu sein.
Auch als sie ganz unerwartet nach mehreren Jahren in das Haus von Hazel und Robin, in ihr Cottage am Meer, in ihre „kleine Welt der Geborgenheit“ eintritt, hegt sie immer noch die Gedanken daran, Hazel zu zerstören. Insgeheim träumt sie davon, dass diese tot ist. Auch wenn das Stück sich in eine andere Richtung wendet und Rose Robin und Hazel gegenüber ihre Geschichte einer unheilbaren Krebskrankheit offenbart, ist man bis zur letzten Minute nicht sicher, was genau ihre höchste Antriebskraft ist: der Hass Hazel gegenüber oder ihr „mütterlicher“ Trieb, die jungen Leute, welche eigene junge Familien haben, vor dem sicheren Tod bei der Wiederherstellung der Folgen der Atomkatastrophe zu bewahren. Ihr gesamtes Leben war Rose damit beschäftigt, so zu werden wie Hazel. Ihre eindeutigen mütterlichen Triebe hat Rose auch nicht ausleben können. Ein ewiges Einem-Mann-Nachrennen erstickt die Weiblichkeit und ist mehr Grundlage für eine Krebserkrankung als eine atomare Bestrahlung. Insbesondere wenn man wahrnimmt, dass Hazel seit der atomaren Katastrophe nahe dem Strahlungsgebiet lebt und keinen Krebs hat, während Rose in die USA ausgewandert ist und an Krebs erkrankt.
Doch ist denn das Leben von Hazel so rosig und gesund, wie sich dieses in den Augen von Rose abspielt? Der erste Hinweis dazu, dass das Leben von Hazel wohl auch alles andere als gesund ist, zeigt sich, als sie von der Partnerin ihrer Tochter spricht. Auch wenn für unsere moderne Welt von #metoo, in welcher Homosexualität „in“ ist und man/frau sich mittlerweile mit Stolz dazu outet, deutet diese Einstellung auf eine verzerrte Wahrnehmung von sich selbst, die einer psychischen Krankheit gleichzustellen ist. Auch erwachsen schafft sie nicht zu werden. Dass dies Hazel und Robin ein Dorn im Auge ist und sie darunter selbst leiden, ist eindeutig. Entscheidend ist im Endeffekt die Phrase, welche Robin sagt, als Rose ihn und Hazel dazu anfeuert, sie bei der Wiedergutmachung der Folgen der Katastrophe zu unterstützen. Er sagt zu Hazel, dass erst wenn er, Robin, und sie, Hazel, weg sind, ihre Tochter hoffentlich zur Selbständigkeit findet. Draus lässt sich erkennen, dass wohl viele Eltern ihre Kinder auch nach deren Volljährigkeit bemuttern und sie dabei daran hindern, erwachsen und somit selbständig zu werden.
Wenn Bemutterung, einem Mann nachrennen, sich selbst belügen etc. ursächlich dafür sind, dass man/frau an Krebs erkrankt, nicht erwachsen wird, lesbisch wird, welche Rolle spielt dann die Atomkatastrophe?
Wir Menschen haben es gerne und machen es viel zu oft, dass wir statt den wahren Ursachen nachzuforschen auf die Ausreden zurückgreifen. Die häufige Ausrede ist schlechte Ernährung, dann kommt wenig Bewegung etc. etc. etc. Die Liste kann unendlich lang sein. Dass atomare Strahlung eine Folge auf die menschliche Gesundheit hat, wird hiermit keinesfalls abgestritten. Allerdings, seien wir uns doch ehrlich, kann man ihr alleine die Schuldzuweisungen geben? Oder ist es doch unsere Lebensweise, die uns selbst zerstört, wenn wir uns selbst nicht treu bleiben bzw. wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, uns stärkt?
vs
Fotos: Reinhard Reidinger