Sexualität ist ein Begriff, der außerhalb der Zeit, außerhalb der Epoche, der Klasse, Hautfarbe, … existiert und trotzdem dem launischen Phänomen „Gesellschaft“ unterliegt. Der Mensch wird in die Natur hineingeboren, schnell aber nach den kulturellen Vorlieben und Vorstellungen „zugeschnitten“, an dem herrschenden Stereotyp angepasst. Die Ausnahmen werden gehänselt, ausgelacht, ausgeschlossen, ausgetrieben.
„Eigentlich sollte ich fünf mal der Woche“ - das Stück, dass eigentlich einen anderen Namen tragen sollte, erntete Jubel, Applaus und Pfiffe, heute bei einem Glas Wein oder gespritztem Orangensaft und einem Snack aus dem umfangreichen gratis Buffet, in der Gumpendorferstraße 67. Inspiriert von dem Film „Sex, Lies and Videotape“ stellte das TAG seine Vorstellungen und die aktuelle Sicht auf die Sexualität der Frau und deren Platz in der Gesellschaft dar.
Zwei Frauenbilder stellen ihre schmutzige Wäsche zur Schau. Agnes (Michaela Kaspar) wird zum Prototyp einer verklemmten, verheirateten, idealen Hausfrau, die Sex mit ihrem Mann (Horst Heiß) verweigert. Ihr Leben besteht aus dem Pflegen der Blümchen und Kochen und sie hält nichts vom Sex. Den gesellschaftlichen Vorstellungen entgegen, dass eine Ehefrau fünf mal in der Woche mit ihrem Ehemann ficken sollte, träumt sie sehnlich vom Kuscheln, Streicheln... Sie kleidet sich ziemlich dezent und im Rahmen. Sind die Frauen, die sich schlicht anziehen, die geilsten? Immerhin ist das Syndrom "ich-will-mit-meinem-Mann-nicht-ficken" nicht behandelbar. Sie will und kann nicht ihre Sexualität ausleben, will sich nicht fallen lassen. Der Psychotherapeut steht in dem Stück jedoch eher für ein in der Gesellschaft mittlerweile verankertes Muster - er wird oft und gerne von den verheirateten Paaren besucht. Einzig und allein mit Gregor, der sich gleich als Impotent bekennt, fühlt sie sich wohl und geborgen. Ist es auch der Grund, warum viele Frauen so gerne in die Gay-Clubs gehen? Weil ihnen dort nichts passieren kann?
Christina (Petra Strasser) ist wie eine andere Seite der Medaille, ein zweites Gesicht von Agnes. Sie steht zu ihrer Sexualität, weiß was sie will und holt es sich auch. Wenn auch das kurzerhand greifbar ist, nämlich im Ehebett ihrer Schwester. "Hast du denn schon mal einen Orgasmus gehabt?", wirft Christina ihrer eifersüchtigen Schwester vor. "Die Gesellschaft sieht es vor, dass eine Frau zur Kinderzeugung eine Ehe abschließt und ein Mann und eine Frau miteinader Sex haben", schildert Michaela Kaspar dem Interview mit www.die-frau.at nach der Premiere.
Von einer Frau wird immer was erwartet. Es sind die Denk-Muster, die Vorbilder, die ihren Charakter formen. Wenn jede Frau an sich denkt und vor allem in ihrer Erinnerung die Bilder und Vorstellungen zurückholt, die sie vor ihrem ersten Mal gehabt hat, dann sind diese ausnahmslos von den gesellschaftlichen Vorstellungen, vor allem sind es Internet, TV, Radio, Zeitungen, alles in allem von modernen Medien, geprägt. Diese stellen eine Frau vor gewisse Herausforderungen. "Muss man so geil stöhnen, wie die Frauen in den Pornofilmen es tun?", äußert Michaela Kaspar ihre Ansichten auf die modernen Sichtweisen, zärtlich umarmend mit einer Frau, "Meine Freundin", sagt sie dazu.
Eine karge Bühnengestaltung, bestehend aus zwei erhobenen Brettern, einer Bank und den Vorhängen aus Regenschutz, bemalt mit schwarzer Farbe, gibt jedoch vollkommen das Herumirren der vier Seelen auf der Suche nach der eigenen Sexualität und ihrem Wert wieder. Im Kontrast zu dem schlichten, ordentlichen Kostüm von Agnes, das an eine Sekräterin, die zusätzlich zu den Büroarbeiten noch für weitere Leistungen zur Verfügung steht, wenn es eine Voraussetzung dafür gibt (wie z.B. die Abmachung, der zufolge sie mit ihrem Ehemann fickt wenn er nicht raucht), tanzen die Kostüme der weiteren Darsteller eher aus der Reihe. Unterhose, durchsichtiges Top, alles deutet auf die Geilheit und angebliche "Sexbesessenheit" von Christina und Jonathan.
Und doch will Andreas Erstling (Text und Inszenierung) niemanden verurteilen. Das Lied am Ende sollte wie das Kuscheln und Streicheln an einen besseren Traum erinnern und Hoffnung bringen.
Ein wunderbares Spiel, das noch nach der Premiere in aller Munde war, die beeindruckende Inszenierung bereitet einen Abend, der mit seiner Eigenartigkeit etwas aus der Reihe tanzt. "Nach einer halben Stunde ist es mir zu fad geworden", bekennt sich eine Zuschauerin. Ein Allgemeingefallen war hoffentlich nicht als ein Muss vorgesehen.
Varvara S