04.07.2010 |
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Die schüchterne Rebellin
Charlotte Gainsbourg stellt ihr aktuelles Album live vor ausverkauftem Haus im „Atelier“ in Luxemburg-Stadt vor.
Barfuß, mit einem schlichten weißen Top und einer (sehr knapp unterm Hintern) abgeschnittenen Jeans bekleidet steht sie inmitten ihrer Band und singt. Kein Firlefanz, keine große Show, im Vordergrund steht die Musik, die sie unter anderem mit Air und Beck erarbeitet hat. Charlotte Gainsbourg, Kinostar und Tochter des großen französischen Chansonniers Serge Gainsbourg und der Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin („Je t’aime… Moi non plus“ im Duett mit Serge), wirkt fast schüchtern zwischen den einzelnen Songs, bedankt sich höflich, tritt immer wieder ein paar Schritte zurück, bis das nächtse Lied beginnt, wartet auf ihren Einsatz.
Doch wenn sie singt, ist sie voll da, man spürt, wie sehr sie an ihre Texte glaubt, und von der einst piepsigen Kinderstimme, mit der sie noch Duette mit ihrem Vater sang, als sie ein Kind war (unter anderem das skandalträchtige „lemon incest“), ist nichts mehr zu spüren. Und wenn die Lieder instrumental weiter gehen, dreht sie sich zu einem kleinen Keyboard, schlägt ein Tamburin oder eine Rassel gegen den Hintern oder sie greift nach Drumsticks und drischt auf ein paar Trommeln ein. Und das sind die Momente, in denen sie sich verliert. Die ungekämmten Haare hängen über das Gesicht und ihre ganze Kraft geht über die Arme auf die Felle, wie wenn sie da die Möglichkeit hätte, das Erbe ihres Übervaters endlich abzustreifen.
Doch Charlotte Gainsbourg ist längst viel mehr als nur die Tochter von… Dass sie eine begnadete Schauspielerin ist, hat sie in vielen französichen und internationalen Filmen bewiesen, doch als sie ihr erstes Solo-Album („5.55“) veröffentlichte, war klar, dass ihre Musik mit den besonders in Frankreich sehr bekannten Chansons ihres Vaters verglichen werden würde. Ohne Angst hat sie sich dagegen gestellt. Auch wenn die Texte ihrer französischen Lieder an die ihres Vaters erinnern, so spricht dies vor allem für ihre auch literarische Qualität. Auch weiß sie, schöne Melodien gekonnt einzusetzen, doch musikalisch geht sie ganz andere Wege. Getragen von einem pulsierenden Schlagzeug und einem treibenden Bass setzt ihre Band neben Elektroeffekten vor allem außergewöhnliche akustische Instrumente wie Geige, Melodika und Glockenspiel ein.
Die Fans jubeln, wenn sie die bekannteren, meist englischsprachigen Songs ihres aktuellen Albums „I.R.M.“ anstimmt, doch auch die Bob Dylan-Nummer „Just like a Woman“, die sie für den Sountrack des Films „I´m Not There“, in dem sie neben dem verstorbenen Heith Ledger Dylans Frau Sarah spielte, eingesungen hat, zählt zu den absoluten Höhepunkten des Abends.
Charlotte Gainsbourg ist auch musikalisch aus dem Schatten ihrer Eltern getreten, sie macht ihr eigenes Ding, und das macht sie mehr als nur anständig, sie ist ab sofort nicht nur eine etablierte Schauspielerin im Kino, sondern eine Musikerin, die weiß, was sie will, und das auch macht.
Leider gibt es im deutschsprachigen Raum nur selten die Gelegenheit, Charlotte Gainsborg live zu erleben, doch das sollte niemanden daran hindern, ihre Musik für sich zu entdecken.
(rb)
Fotos: rb, Jelle