Der Name Harald Sicheritz (Muttertag, Hinterholz 8, Poppitz u.v.m.) hat die Qualitätsvermutung auf seiner Seite und wird den Erwartungen mit seinem neuesten Streifen „Bad Fucking“ mehr als gerecht.
Die Buchvorlage stammt aus der Feder des Autors Kurt Palm, der damit 2010 auf den Bestsellerlisten landete und 2011 mit dem Friedrich Glauser Preis ausgezeichnet wurde.
Das Dorf Bad Fucking ist eine wahre Goldgrube. Allein der Name veranlasst Heerschaaren von Touristen dazu, dorthin zu reisen. Das örtliche Hotel jubiliert, der Souvenirladen verkauft obszöne Fuckinger Gartenzwerge am laufenden Band und die Gemeindeeinnahmen können sich sehen lassen.
Die Schicksale der Bad Fuckinger werden uns erzählt von der Tochter der Souvenirladenbetreibers Veronika (großartige Neuentdeckung
Martina Ebm). Schon eingangs stellt sie fest: "Es gibt viel mehr verzweifelte Leute, als man glauben möchte". Die Verzweiflung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte.
Zusammen mit dem Hang brechen auch sämtliche menschliche Dämme und die tiefsten Abgründe der österreichischen Seele tun sich auf. Bei der Premiere des Films in Graz am 17.12.2013 im Schubertkino sagte Johannes Silberschneider, der den Postenkommandanten mit Hang zu Aalen brillant spielt: „Ich werde oft geholt, wenn es um österreichische Familienaufstellungen geht.“. Genau das ist Bad Fucking. Es ist überall und in jedem von uns – und daher macht es Angst.
Der Kurhotel-Besitzer/Bürgermeister (Wolfgang Böck)ist der Meinung: „Die Gemeinde bin ich!“ und liegt da wohl auch nicht ganz falsch. Zumindest bis zum Zwischenfall mit
einem Knollenblätter-Pilz und einer falschen Rechnung.
Den wohl einzigen mittellosen Zahnarzt weltweit (Gerhard Liebmann) mit Hang zum (weiblichen) Busch, segnet auch das Zeitliche und die Liebeserklärung per Namenszug der Angebeteten auf dem Penis des Junior Hoteliers (Thomas Mraz) scheitert an akutem Platzmangel. Sein Bruder Kilian (Michael Ostrowski) begeht Vatermord, ohne dies jemals zu erfahren.
Dann gibt es noch die gegen Zuwanderung hardlinende Ministerin (Adele Neuhauser), die sich plötzlich sprachlos in der Rolle einer tschetschenischen Terroristin wieder findet.
Neben einigen Momenten, die zum Laut-Lachen einladen, bleibt dem Zuseher nur all zu oft ebenjenes im Halse stecken. Zu nah an der österreichischen Wirklichkeit baut Palm das Potemkinsche Dorf Bad Fucking, dessen Fassade sich vollends auflöst.
Die Protagonisten sind, jeder auf seine Art, mit der Gegenwart heillos überfordert. Sie versuchen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, doch das Scheitern ist Programm. Erst die aalmächtige apokalyptische Sintflut bringt eine verheerende Katharsis. Zu den zahlreichen Leichen gesellen sich weitere. Das schockiert aber nicht mehr, denn als guter österreichischer Zuseher ist man bereits dem Eh-Schon-Wurscht-Syndrom verfallen. Was beim Kinobesucher aber doch die Halsschlagader anschwellen lässt, ist die Erkenntnis, wer als letzter männlicher Überlebender wohl gemeinsam mit Veronika und der slawischen Putzfrau Jagoda (Proschat Madani) für Bad Fuckings Next Generation zuständig sein wird. Unkraut vergeht einfach nicht.
Bad Fucking reiht sich in die Tradition großer österreichischer Filme ein und hat eindeutig Kultpotential. Der Streifen wurde brillant von Harald Sicheritz zusammen mit diesem hervorragenden Ensemble umgesetzt.
Wer die Nase voll hat, von den täglichen desaströsen innenpolitischen Nachrichtenmeldungen, der sollte sich zur Entspannung Bad Fucking ansehen.
Österreichweiter Filmstart ist der 20.12.2013.
KWH