Ursula Stross: Trüffelduft
Über diesen obszönen Liebesverrat hat sich die Grazer Hautvolee in den 1990er Jahren die Münder zerrissen: Eine 40 Jährige Möchte-gern-Künstlerin (Magdalena, das Alter Ego der Autorin) verlobt sich mit einem 60 jährigen, unvorstellbar reichen Besitzer einer Boutiquenkette (Raul), erliegt dann aber dem Ungestüm seines haltlosen Sohnes und heiratet den 18 Jährigen (Ludwig). Es versteht sich bei dieser semiprofessionellen Aufarbeitung eines exzessiven Lebens von selbst, dass der Roman zwar autobiografisch, aber nicht detailgetreu zur Realität ist.
Die Handlung ist nach Salzburg verlegt. In flottem Erzähltempo treten Personen einer Großfamilie auf, die weniger durch konkrete äußere Eigenschaften charakterisiert werden als durch ihr Verhältnis zum großen Geld, das von der verunglückten ersten Frau von Raul stammt. Eine suizidale Urgroßmutter mütterlicherseits und Alkoholsucht hat noch auf den Enkel den Einfluss von Lieblosigkeit. Hinzu kommt bei Vater und Sohn das Modegift Kokain. Kurz, viele von den Erwartungen eines unbedarften Lesers an die Hautevolee wie finanzielle Arroganz, willkürliche Lebensplanung, das Fixiertsein auf Jet-Set-Action und die Ausklammerung des Themas Arbeit werden bedient. Magdalena gerät zwar auch in diesen Strudel, doch sie behält ihre Gefühle zu ihren Lovern im Auge, ist ihr oberstes Gut nach ihrer Scheidung Freiheit. Raul ist ein toller Mann in den besten Jahren und die Liebe und der Sex mit ihm sind gut zu handhaben. Magdalena spielt genießerisch auf der Klaviatur des männlichen Imponiergehabes mit teuren Autos, Design-Kleidern, Luxus-Hotels, der neuesten Cartier Pascha Uhr, der Villa aus weißem Marmor an der Cote’ Azur. Doch der Jugendliche Ludwig vögelt mit seinem noch enormen sexuellen Potential die Geilheit von Magdalena zu Tränen. Wer denkt dann noch an Absicherung oder Freiheit? Außerdem zieht sie der Duft der jungen Männer nach Trüffeln in den Bann. Ähnlich hat ja der EX-Grazer Autor Glavinic empfohlen, die Wahl der Geliebten nach der Art ihres Duftes im Nacken zu richten.
Kein Gift ausgelassen, auch nicht Analphabetismus
Ungestüm bis chaotisch sind ebenso die Rechtschreibung, Zeichensetzung, Wortwiederholungen, Satzbau und Denklogik. „Trüffelduft“ (erschienen 2011, Eigenverlag, 192 Seiten, Taschenbuchformat) könnte fürwahr teilnehmen am Wettbewerb für den am schlechtesten korrigierten Roman ever (z. B.: „Italiener waren fiel (!) im Raum.“). Damit entpuppt sich der Roman wiederum konsequent als Kind des haarsträubenden Grazer Unstils, wird doch hierorts fehlerfreies Schreiben seit jeher als Zeitverschwendung verachtet.
Die Handlung verläuft durchwegs an Magdalena entlang. Dennoch wundert man sich bei dieser Eindimensionalität, wieso einem die Lektüre nicht langweilig wird. Darin nun hat der Text seine größte Qualität: Die Verflechtung der einzelnen Episoden ist sehr gut angeordnet und in der Länge maßvoll, wenn auch manchmal skizzenhaft, die wechselhaften Geschehnisse wirken aus dem Lauf der Dinge heraus vollkommen stimmig und nirgends aufgesetzt. So auch der Absturz von Ludwig, den die Heldin anfangs durchaus in Kauf nimmt. Was muss Magdalena das Vögeln mit Ludwig bedeuten, dass sie seine Trunk-, Kokain-, Auto-, Geldverschleuderungssucht erträgt? Nebenbei fällt auf, dass trotz des Schwerpunktes Sex keine Stellungsparade geschildert wird. Nach Ludwig folgen ein paar weitere Bumsgeschichten, bei einem Dirigenten sogar mit geistiger Inspiration.
Es wird ein sehr traditionelles, unterwürfiges Frauenbild gegeben. Keine Scheu hat die Autorin, oftmals die Unsitten der Reichen als „entartet“ zu bezeichnen. Zum Schluss bleiben allgemeine Lebensweisheiten.
Erhältlich im Antiquitätengeschäft in der Hans-Sachs-Gasse 4.
Waltho