Heutzutage sind die Worte Gemütlichkeit und Bequemlichkeit zu den Stichworten unserer Zeit geworden. Wir leben in einem Zeitlater der Autisten, wobei jeder auf sich selbst schaut und sich nur um sein eigenes Gut kümmert. Dies wäre auch eine perfekte Einstellung, wenn dabei das Allgemeinwohl nicht beeinträchtigt würde.
Das Wort Körperkontakt ist keine Neuwelt mehr für die meisten Erdenbürger. Seine wahrhafte Bedeutung jedoch, mag viele zum Staunen bringen. Gleich wie beim Stillen geht es hier vor allem darum, dass das Kind durch das Einatmen der Hormone aus dem Schweiß der Mutter, die für seine gesunde Entwicklung notwendigen Hormone bekommt.
Frau Dr. Julia Rüsch, Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychosomatik, entwickelte und verkörperte die Idee des Kinderwagenflyers. Dieser ist zum Zweck der Informationsübertragung gedacht. Um an unsere LeserInnen das lebenswichtige Wissen weiter zu geben, traf sich eine Redakteurin von www.die-frau.at mit ihr persönlich zu einem Interview.
Die-frau.at: „Schauen Sie mal wie ruhig und zufrieden das Kind im Kinderwagen sitzt. So viel falsch konnte ich demzufolge auch nicht gemacht haben. Außerdem habe ich immer so viele Taschen mit. So kann ich nicht auch noch das Kind schleppen“, ist eine Pauschalaussage, die ich oft von Frauen höre, die ich mit dem Thema Kinderwagen konfrontiere. Was sagen Sie dazu?
Dr. Julia Rüsch: Dann soll sie den Kinderwagen für die Taschen nehmen, und das Kind stattdessen tragen. Es gibt schon Situationen, in denen die Kinder in so einem Wagerl sitzen wollen. Aber wenn sie raus wollen, geht’s nicht. Deswegen werden sie auch noch angegurtet, drinnen eingesperrt, damit sie nicht raus wollen können. Am Anfang finden sie es vielleicht lustig dort drinnen zu sitzen. Irgendwann wollen sie dann aber raus zur Mutter. Und natürlich, wenn das Kind gelernt hat, es hat keine andere Chance, auch keine andere Möglichkeit, dann wird es auch immer ruhig da drinnen sitzen bleiben. Denn es hat schon oft gelernt, wenn es in den Kinderwagen musste und geschrien hat, es nichts geändert hat und es trotzdem drinnen bleiben musste.
Eine Patientin von mir wollte als das Kind auf die Welt kam, dass der Mann mehr bei ihr im Bett ist, und hat das Kind ins Extrazimmer gelegt. Dann hat sie mir erzählt, wie schrecklich für sie die ersten Abende waren, an denen das Kind geschrien hat. Sie ist dann immer wieder zu ihm ins Zimmer gegangen. Diese Situation fand sie schrecklich. Nach ein paar Tagen hat sich das Kind daran gewöhnt und nicht mehr geschrien. Die Frage ist: Warum macht man etwas als Mutter, wo man selber instinktiv weiß, dass es fürs Kind nicht gut ist? Die Gesellschaft sieht nämlich den Vater und die Mutter in einem Bett vor und das Kind extra, deshalb machen Mütter Dinge, die sie eigentlich vom Instinkt her gar nicht wollen. So wie es früher geheißen hat, man darf das Kind nur alle vier Stunden stillen, weil es sonst Bauchschmerzen kriegt. Ich habe eine Patientin gehabt, die eine Depression bekommen hat, weil sie das Gefühl hatte, dass sie ihr Kind nicht ernähren kann. Er bekam schon nach einer Stunde wieder Hunger und wollte was essen. Und ihre zwei Gynäkologen versicherten ihr, das Kind darf nur alle vier Stunden gestillt werden. Im Endergebnis hat das Kind insgesamt nicht so viel bekommen, weil es auf einmal nicht so viel trinken wollte. Die Folgen waren dann die Depressionen, Mutter im Krankenhaus und das Kind wurde mit einer Flasche zugefüttert.
Die-frau.at: Was sagen Sie dazu, wenn Kinder selbst den Wunsch äußern, sich in den Kinderwagen rein zu setzen, weil sie zu faul sind selbständig zu laufen oder müde sind?
Dr. Julia Rüsch: Wenn sie selbst rein wollen, ist es relativ egal. Aber es wird auch dort Situationen geben, dass es doch nicht rein will. Eine Bekannte z.B. kam mal mit dem Kinderwagen zu mir zu Besuch weil das Kind selbst mit dem Kinderwagen unbedingt wegfahren wollte und als das Kind raus wollte und alleine laufen wollte, hat sie gesagt: "Nein, jetzt haben wir das Kinderwagerl genommen und jetzt wirst du auch darin zurückfahren müssen."
Die-frau.at: Wie schädlich ist der Tragegurt für den Rücken der Mutter?
Dr. Julia Rüsch: Den ganzen Tag wird so und so keiner das Kind im Tragegurt tragen. Den ganzen Tag mit dem Kind unterwegs zu sein wäre natürlich gut, nur findet dies eh nicht statt. Das Kind wird immer schwerer und schwerer, dies aber in einer gewissen Nacheinanderreihung und somit gewöhnt sich der Körper der Mutter langsam daran, Muskulatur gewöhnt sich langsam daran und wächst auch mit. Und je mehr man das Kind trägt, desto schneller gewöhnt sich der Körper und desto problemloser wird es, wenn die Kinder schwerer werden.
Die-frau.at: Oft sieht man über den Kinderwagen drüber ein Tuch hängen, sodass das Kind überhaupt keinen Blick auf die Mutter werfen kann und wenn es aufwacht, sich in einer "Schachtel“, in einem „Käfig“ wiederfindet…
Dr. Julia Rüsch: Im Kinderwagen spürt das Kind nicht die Mutter oder einen anderen Menschen. Es braucht die Gewissheit, dass es nicht alleine ist. Es muss nicht immer die Mutter sein, die trägt. Wenn das Kind, so wie im Kinderwagen, die Mutter nicht spürt, nicht hört, nicht sieht, glaubt es alleine zu sein. Ein Kinderarzt hat mal den schrecklichsten Fall gehabt, bei einem seiner Patienten den plötzlichen Kindestod feststellen zu müssen. Dabei glaubt das Kind alleine zu sein, obwohl die Mutter irgendwo in der Nähe ist. In Heimen kommt z.B. der plötzliche Kindstod nicht vor. Vor allem auch in den Situationen, wo es zu gewissen Gefahrensituationen, wie Atemnot oder Schwierigkeiten mit dem Herzen kommt, werden die Kinder anstatt an die Haut angelegt, mit Elektroden versetzt.
Die-frau.at: Danke für das Interview!
Als Frau neigt man oft dazu, sich nach der Bequemlichkeit und der gesellschaftlichen Vorstellungen zu richten, als Mutter denkt man jedoch eher an die Bedürfnisse des Kindes. Oft gerät diese Formel aus dem Gleichgewicht und es bildet sich somit eine gesellschaftsabhängige selbstsüchtige Vorgehensweise.
Neben meiner redaktionellen Tätigkeit, dem Studium, bin ich noch Mutter eines einjährigen Buben. Auch wenn ich oft dazu neige, mich in den Vordergrund zu schieben und aus egoistischen Absichten heraus zu handeln, ist mir trotzdem bewusst, dass die Bedürfnisse meines Sprösslings immer vorgehen.
Mit 18 bin ich ins Ausland ausgerissen. In zwei unterschiedlichen deutschen Familien habe ich mal auf ein etwa vier Monate altes Mädchen und einen zwei Monate und einen zwei Jahre alten Buben aufgepasst. Mit der festen Einstellung, dass die Mutter immer Recht hat, habe ich oft das Kind im Kinderwagen gegen seinen Willen durch die Gegend geschleppt. Meinen Instinkten folgend, habe ich oft beim Spazierengehen den Kinderwagen abgelehnt und das Kind getragen oder ein Fahrrad mitgenommen, auf den der zweijährige sich ohnehin gerne setzte. Bei den Familienausflügen, insbesondere zum Strand, da dort die Durchfahrt immer erschwert war, steckte die Gastmutter das Baby oft in das Tragetuch. Mit der Annahme dies sei ein Privileg der Mütter, traute ich mich nie sie darum zu bitten, dass ich bei meinen Spaziergängen mit dem Kleinen auf den Kinderwagen verzichte und das Kind im Tragegurt trage. Damals waren mir meine Instinkte und Gedanken unbewusst. Nachdem mein Sohn auf die Welt gekommen ist und ich die Informationen von Frau Dr. Rüsch und weiteren Bekannten über die Wichtigkeit des Körperkontaktes für die gesunde Entwicklung eines Kindes bekommen habe, verstehe ich, was damals mein Denken und Handeln bewegte.
Mein Sohn Jordan wird ausschließlich im Tragegurt getragen. Nachdem er nun laufen kann, was relativ früh geschehen ist, nämlich bereits mit 10 Monaten, erobert er die Straßen. Bei jedem Passanten, auf den er trifft, liest man die Verwunderung ab. „Wie alt ist er denn? Wie bitte? Und er läuft schon? Und dazu noch so flott und so sicher? Wie bitte? Seitdem er 10 Monate alt ist???“ „Und mein Sohn will noch nicht gehen.“ Bei solchen Aussagen, indem ich auf einen Säugling in einem Kinderwagen angegurtet, mit mehreren Schichten von Decken verdeckt, blicke, dreht sich nur eine Frage in meinem Kopf: “ Hat er den überhaupt ein Mitspracherecht?!“ So wie mein Sohn sich derzeit entwickelt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er jemals Probleme mit Kreislauf, Übergewicht oder Sonstigem bekommen kann. Auch in dem Sportunterricht wäre er noch einer der Besten, denn bereits jetzt läuft er wie von der Hummel gebissen und schläft kaum, damit er ja nichts vom Tag und den Geschehnissen verpasst.
Gleich nach der Hausgeburt wurde er mir auf die Haut gelegt und so habe ich mit ihm die Nacht verbracht. Bis zum heutigen Tage, was sich auch erst nach seinem Wunsch ändern soll, teile ich mit ihm mein Bett. Und immer, als ich an mich zurückdenke, was ich tat als ich mich nicht gut fühlte, ist die Antwort: Die Suche nach jemandem, einem Körperkontakt, wo ich mich geborgen und wohl fühle. Warum soll es bei einem kleinen Wesen, das noch ganz fremd und unerfahren auf dieser Welt ist, anders sein?
Nicht nur der Körperkontakt ist wichtig. Es ist sehr wichtig, dem Kind das Gefühl der Geborgenheit und der Ruhe zu geben. Es soll sich wohl und sicher fühlen.
Varvara Shcherbak
Kinderwagen?!
Heute ging ich mit Alma und Elena zum Hofer, Alma saß auf meinem Rücken im Tragegurt. Unterwegs fragte ich Elena was sie vom Kinderwagen hält und sie sagte nur, dass das Kind frei entscheiden sollte wo es hingeht (Tragegurt oder Wagen), denn das Schlimmste ist für sie, dass man selbst die schreienden Kinder einfach im Kinderwagen lässt ohne ihnen weitere Beachtung zu schenken. Am Schlimmsten aber findet Elena den Regenschutz für den Kinderwagen, da es wie ein Gefängnis ist.
Witzigerweise kam ein ehemaliges Familienmitglied am selben Tag noch mit dem Kind der neuen Familie ins Geschäft. Ein richtiges Vorzeigekind, 16 Monate, keine Brust mehr und fein im Kinderwagen. Als dann Alma, sie, Leonie und ich dann das Geschäft verließen nahm ich Alma auf die Schulter und sie „steckte“ Leonie in den Wagen. Doch das schlimmste für Leonie war der Regenschutz, denn man verbot ihr das Sichtfenster zu öffnen, sie aber wollte die ganze Zeit, dass dieses geöffnet wird. Sie weinte und fand sich doch dann mit ihrer Situation ab.
Ich würde für mein Kind nur ungern haben, das es sich mit Dingen abfinden oder sie aushalten soll.
Luisa