25.01.2011 |
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Geschwister kämpfen um die Liebe der Mutter
„Ich passe auf den kleinen Bruder auf und du kannst deine Sachen erledigen.“
„Ich darf neben Mama sitzen“, „Nein, ich“, „Mir bringt sie eine Torte von der Konditorei und dir keine“, „Mir gibt sie zuerst ein Bussi und sagt ,Gute Nacht!’ und nicht dir“, „Mich hat sie lieber“, „Nein, mich hat Mama lieber!“… Dies ist nur ein kleiner Auszug, was Mütter erleben können, wenn Geschwister um ihre Gunst und Liebe streiten.
Der Erste zu sein, sich von den anderen zu unterscheiden, an die Spitze zu streben, das alles lernt man während dieser Geschwister-Schlachten. Geteilt wird die Mutter ungern, vor allem was ihre Liebe angeht, und somit wird nach Anerkennung in allen Lebensbereichen gesucht.
Einmal sperrte meine Tante meine Mutter beim Spielen in den Schrank, wo sie zu ersticken drohte. Ebenfalls beim „Spielen“ hat die Tante ohne Rücksicht auf Schmerzen meine Mutter mit voller Wucht mit Füßen getreten. Meine Mutter klagte, dass sie sich ständig benachteiligt fühlte, wenn ihre Schwester eine Modeshow ihrer Einkäufe aus dem Ausland machte und meine Mutter und ihre Eltern erst nachher den leeren Koffer in Empfang nehmen durften. Als Gegenschlag musste sich meine Tante einmal in der Schule für ihre Schuhe unterschiedlicher Farbe eine Lügengeschichte über die neueste Mode ausdenken, denn ihre „liebe“ Schwester hatte ganz erfinderisch zwei Paar Schuhe, die sich in nichts als der Farbe unterschieden, vertauscht.
Als ich mal meiner Mutter zu erklären versuchte, dass sich ihre Schwester deswegen ihr gegenüber so benahm, weil sie mehr Aufmerksamkeit von ihrer Mutter bekommen wollte und eifersüchtig war, meinte sie, meine Tante hätte doch immer alles bekommen, was sie wollte. Opa schwor, selbst noch seine letzte Hose zu verkaufen, solange es nur seiner Tochter was bringt. Doch kann man Geld und Materielles mit der Liebe, der Wärme und der Aufmerksamkeit der Mutter vergleichen? Natürlich hat ein Kind mit Geschwistern, die in kurzen Zeitabständen auf die Welt gekommen sind, um die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Mutter zu kämpfen. Oftmals auch unbewusst.
Ein ebenfalls oft gehörter Satz ist dieser: „Ich bin überhaupt nicht eure Tochter. Ihr habt mich aus dem Kinderheim geholt und adoptiert.“ Was natürlich absolut nicht stimmt. Und das weiß das Kind genau, es geht nur um die Verletzung, die damit verbunden ist. All diese Traumata, die wir als Kind erfahren, begleiten uns ein Leben lang, ruinieren weitere Verhältnisse, Beziehungen, machen uns gesellschaftsabhängig und unselbständig. Die Folgen können dramatisch sein: Die Tochter interessiert sich nicht für die Mutter und kauft sich mit einem Geschenk zu Weihnachten und zum Geburtstag und einem Anruf pro Monat von der „Verpflichtung“ der Mutter gegenüber frei. Und am Ende steht die Drohung, die Mutter, wenn sie alt und pflegebedürftig ist, in ein Heim abzuschieben.
Hat das Kind seine Mutter einzig und alleine für sich und muss diese nicht mit anderen Geschwistern teilen, so gestaltet sich sein Verhältnis ihr und der Gesellschaft gegenüber ganz anders. Erstaunlich, wie die Kinder untereinander eine Gemeinschaft aufbauen können, wie sich ihr Verhältnis untereinander gestaltet, wie sie zusammenhalten.
„Aber ohne Witz. Du kannst ihn mir jederzeit geben und ich passe auf den kleinen Bruder auf und du kannst deine Sachen erledigen“, so ein 8Jähriger zur Mutter seines Halbbruders. Als der Kleine schrie und die frischgebackene Mutter alles Mögliche ausprobierte, um ihn zu beruhigen, unterstützte der 8jährige Junge sie mit Ratschlägen, die er der Beobachtung, wie seine weiteren Halbgeschwister aufgezogen wurden, entnahm.
Ich bin als Einzelkind aufgewachsen, daher weiß ich nicht, wie man die Mutter mit anderen Geschwistern teilen soll, was für ein Gefühl das ist. Doch noch schlimmer kann das Gefühl sein, die Mutter mit einem fremden Mann teilen zu müssen.
(vs)
Fotos: hortongrou