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Kinder als Jonglierball
18.09.2013
„Kokowääh“ sowie „Kokowääh 2“, beide geschrieben und produziert von dem als einer der wenigen deutschen Kinostars der Gegenwart titulierten Schauspieler Til Schweiger, der zugleich auch die Hauptrollen in beiden Filmen spielt, zeigt eine Sichtweise auf die moderne Patchwork Familie. Ein Thema, das ohnedies in den Medien hochgejubelt und laut diskutiert wird. Die Dreharbeiten von „Kokowääh“  und „Kokowääh 2“ dauerten knappe zwei bzw. drei Monate. Zweifelsohne nicht zuletzt wegen der perfekten Teamarbeit von Til Schweiger und der jungen Dame an seiner Seite, seiner Tochter Emma Schweiger. Alleine in Deutschland haben den zweiten Teil 4,3 Millionen angeschaut.

Die freche 9-jährige Emma klaute, wie Til Schweiger selbst sich in einem Interview geäußert hat, ihm die Show. Diese Ehre ließ er jedoch seinem kleinen Nachwuchstalent, das bereits kleine Rollen unter anderem in „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ gespielt hat, aber gern.

An diesem Punkt machen wir jedoch einen Strich unter die Beschreibung der ohne Zweifel exzellenten Darsteller, die uns während der Vorschau oft genug zum Lachen gebracht haben (mit dem für Til Schweiger typischem Humor). Jetzt wird der Inhalt der beiden Patchwork-Diarys unter die Lupe genommen.

In „Kokowääh 2“ wohnt Henry (Til Schweiger) mit Katharina (Jasmin Gerat) zusammen. Zusammen ziehen sie die 9-jährige Magdalena (Emma Schweiger) und das Baby Louis groß. Als Katharina nach einem knappen Jahr der Mutterschaft und Haushaltsarbeiten die Nerven verliert, zieht sie in eine Wohnung und hinterlässt ihr Baby Louis, das sie noch stillt, seinem Vater. Unter dem Motto: Er soll endlich lernen, Verantwortung zu übernehmen.

Und was ist mit Magdalena? Sie darf sich jetzt erst einmal richtig freuen, denn ihr „Vater“! zieht jetzt in die Wohnung ein, bis seine Mittelalterkrise wieder vorbei ist. Stopp. Wie viele Väter hat also Magdalena?! Biologisch bedingt kann da nicht mehr als nur einer sein. Henry. Da der Film eine Anspielung an das moderne Patchwork ist, spielt hier Biologie keine Rolle. Tristan (Samuel Finzi) ist also auch Magdalena´s Vater, nur weil er sie ab ihrer Geburt großgezogen hat und erst später davon erfahren hat, dass sie nicht seine leibliche Tochter ist. Das Kind hat also zwei Väter. Klingt, auch wenn sehr verwirrend und gegen alle Naturgesetze, sehr modern. Und was ist mit Magdalena´s Mutter? Wer „Kokowääh 2“ vor „Kokowääh“ angeschaut hat, wird nie erraten, dass nicht Katharina, die Mutter von Louis, sondern eine gewissen Charlotte (Meret Becker), die mit Tristan verheiratet ist, ihre leibliche Mutter ist. Sowohl im ersten als auch im zweiten Teil wird sie kaum gezeigt. Fern von ihrer Tochter, die sie im ersten Teil bei ihrem leiblichen Vater (beide wissen von einander nichts und kennen sich noch nicht) wie ein Paket abgegeben hat, macht sie eine Karriere in New York.   
                                             
Wie bereits erwähnt, Henry und Tristan ziehen zusammen und führen ein Leben beinahe wie in einer Ehe. Schwul sind beide jedoch nicht. Oder? Manche Szenen geben einen Grund zum Zweifeln. Wie z.B. die Szene, in der die blutjunge Babysitterin Nadja sich entblößt und an Henry herumzutun anfängt. Welcher Mann kann so einer verführerischen Versuchung widerstehen?!

Auch wenn der Film über das Leben einer Patchwork-Familie erzählt, geht es hier gar nicht um die Kinder, sondern viel mehr um die Erwachsenen, die ihre verletzte Gefühle auszutoben wissen und dauernd streiten und sich wieder aufs Neue versöhnen.

Alleine die Szene in „Kokowääh 2“, in der Magdalena erfährt, dass Henry ihr leiblicher Vater ist, ist ein Beweis dafür, dass Kinder in diesem Film wohl nicht die Hauptrolle spielen. Magdalena bittet Henry bei ihr zu bleiben, weil sie nicht alleine sein will. Er lässt sie aber mit ihrer Verwirrung und einer Information, die ihr Leben ändert und die er selbst gerade ihr mitgeteilt hat, sitzen und rennt zu Katharina. Katharina ist weinend weggelaufen, weil sie ja in ihrem Kinderhaben-Anspruch von Henry verletzt ist. Denn Henry wollte mit ihr keine Kinder haben, hat aber Charlotte, während beide zusammen waren, in einer Nacht geschwängert. Wenn Henry jetzt bei Katharina keine Versöhnung schaffen, wird sie nie mit ihm zusammen sein.

Katharina geht einkaufen, während sie ihr Baby alleine schlafend in der Wohnung lässt. Sie hat wohl die Berichte über Kleinkinder, die alleine aufwachen und auf der Suche nach ihrer Mutter aus dem Fenster fallen, nicht gelesen oder nicht ernst genommen.

Henry lässt Magdalena alleine in der Wohnung. Sie ist zwar 8 Jahre alt und braucht keinen Po-Abwischer mehr, ist jedoch immer noch ein aktives Kind mit einem starken Willen und Durchsetzungskraft. Nachdem Magdalena die Küche verbrennt, lässt Henry sie zum zweiten Mal alleine in der Wohnung. Das Baby Louis wird alleine auf einem Wickeltisch gelassen, bis es sich eine Beule ergattert. Verantwortung ist wohl in den Patchwork-Familien nicht groß geschrieben.

Kinder werden hin- und hergerissen und keiner hat recht für diese Zeit. Wohl aber für die Befindlichkeiten untereinander und für Mittelalterkrise.

Alles in allem stellen der Film „Kokowääh“ sowie seine Fortsetzung „Kokowääh 2“ ein run-after-your-offended-wife und das Jonglieren mit den Kindern dar.  

Ohne die Schwarzer-Humor-Szenen, wie die gewaltige Wortschöpfung „Duschlampe“ (spricht man das Wort nämlich falsch aus, so hört mancher die Wortbildung Du Schlampe heraus), die lebhafte Emma Schweiger und die Musik der australischen Band breakeven (das Lied „I´m falling into pieces“) wäre der Film inhaltlich womöglich nicht die 4,3 Millionen Zuschauer wert.

Fotos: 2010 Warner Bros. Entertainment Inc. und barefoot films

die-frau.de