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I just wanna make you sweat!
24.12.2012
„Bikram Yoga ist der Hit! Das musst du probieren!“, sagte mir meine Freundin vor einigen Monaten. Sie stieß damit bei mir auf spontane Abneigung und Gegenwehr. Ich beim Yoga? Nein, das sehe ich nicht kommen. Obwohl ich noch nie beim Yoga war, hat sich in meinem Kopf das Bild von gutbetuchten Hausfrauen manifestiert, die ihrem Übermaß an Freizeit mit Hilfe von Yoga einen Funken Sinn einhauchen wollen. Die Übungen funktionieren meiner Ansicht nach nach dem Minimax-Prinzip: Die minimalsten Bewegungen werden maximal in die Länge gezogen. Dazwischen atmet man noch ein wenig und ohmt sich durch den Kurs.

Nachdem meine Geduld ähnlich strapazierfähig ist, wie jene des tasmanischen Teufels aus den Looney Tunes, dürfte das definitiv nicht das Richtige für mich sein.

Wenn ich mich schon für Gymnastik (Bitte, ich bin Laie, ich darf die Yoga Übungen so nennen!) erwärmen kann, dann muss sich was tun, da muss Bewegung dahinter sein und man soll es auch meinen Muskeln ansehen, dass ich trainiere.

Vor wenigen Tagen war es soweit: Ich begleite meine Freundin zum Bikram Yoga. Wird eine neue Erfahrung, dachte ich mir. Das war es dann auch…

Bootcamp für gequälte Seelen

Bei einer Außentemperatur von gefühlten minus 40 Grad, tatsächlich vermutlich minus 10 Grad, betrete ich den Vorhof zur Hölle. Das wird mir aber erst später bewusst.

Im ersten Moment bin ich nur froh, dem sicheren Kältetod entronnen zu sein und freue mich über die wohlige Wärme. Nett!

Schnell angemeldet und umgezogen und rein in die strenge Kammer. So werde ich den Yoga Raum allerdings auch erst später nennen. Dort ist es herrlich warm, es ist dunkel, lauschig und ich fühle mich rundum wohl.

Der Yoga Trainer betritt den Raum und mit ihm kommt das Licht. Auf sein „Achtung, Licht!“  folgt das gleißende Licht der Neonröhren und ein Schmerz in beiden Augen. Na gut.

Bikram Yoga, das sind 26 Übungen in 90 Minuten bei ca. 40 Grad Celcius Raumtemperatur. Jeder kann mitmachen, wie es für ihn gut ist, aber niemand verlässt unter keinen Umständen den Raum. WAS?! Die Lauschigkeit macht zackig der Beklemmung Platz.

Wir beginnen mit den Übungen. Eigentlich beginnen die anderen damit. Ich verstehe nur Bahnhof. Erst als ich den anderen zusehe, verstehe ich, was der Trainer von mir will.

Die ersten Übungen gehen eher schlecht als recht, aber alles ist im grünen Bereich. Da ich im Sternzeichen des Zwänglers mit Aszendent Perfektionist geboren bin, will ich die Übungen absolut richtig und vorbildlich absolvieren. Der zweite grobe Fehler, wie sich herausstellen sollte. Der erste Fehler war es, Yoga zu unterschätzen….

Nach ca. 5 Übungen ergießen sich gute 70 Prozent meines Wasserhaushaltes über meine Kleidung Richtung Yoga-Matte. Ich mache einen beherzten Schluck aus meiner Wasserflasche. Dieser verhält sich aber so wie Spenden, die man nach Afrika schickt: Er kommt nie an, sondern verpufft auf der Strecke. Ich bin der Verzweiflung nahe. Dem Kältetod war ich entkommen, jetzt lauert das Ende durch Dehydrierung.  

Aus weiter Ferne höre ich die Stimme des Yoga Lehrers, wie er irgendetwas erzählt von wegen, Bikram Yoga sei fast so gut wie Sex. Also wenn man während und nach dem Sex das Gefühl hat, man hätte einen Vorschlaghammer auf den Schädel bekommen und man könne den Raum maximal auf allen vieren wieder verlassen, sollte man die Wahl seines Beischlafpartners überdenken.
 

Houston, Houston! Wir haben ein Problem!

Ich liege auf dem Rücken und bin nur noch Atmung – Schnappatmung. Der Trainer kündigt die nächste Übung, das „Flugzeug“ an. Ich liege auf dem Bauch und werde geheißen Arme und Beine anzuspannen und maximal vom Boden abzuheben. Schließlich sei ich ein Flugzeug.  Da ich mental an einem Punkt angelangt bin, an dem man sich keine Sinnfragen mehr stellt, tue ich einfach, was man von mir verlangt. Während meine Bootcamp Kollegin neben mir bereits aussieht wie ein U und eigentlich nur noch ihr Bauch den Boden berührt, habe ich noch nicht einmal den Sicherheitscheck abgeschlossen.

Beim zweiten Set beschließe ich, auch abzuheben. Ich spanne jede Faser meines Körpers an und erhebe mich in die Lüfte. Ja, geschafft! Der Trainer sagt, wir sollen noch höher steigen. Kein Problem für mich!  Was für ein Gefühl! Ich schwebe! Der Trainer steht neben mir und fragt mich, warum ich weder Arme, noch Beine hochhebe. Ich verstehe nicht, was er meint und mache unbeirrt weiter.  

Nach 26 Übungen sind mein Wille gebrochen und meine Kräfte enden wollend. Wir sollen uns noch ein wenig ausruhen, ruhig atmen und wenn wir so weit sind, den Raum verlassen. Es wird wieder dunkel und lauschig.

Ich will nur noch hier raus und vor allem eines: Wasser! Flink und doch grazienhaft entschwebe ich dem Raum – vor meinem dritten Auge. Tatsache ist, dass ich fürchte, nie  mehr diesen Raum verlassen zu können, weil ich nicht in der Lage bin, aufzustehen. Mir dämmert nun, wie meine Flugzeugübung tatsächlich ausgesehen haben dürfte.

Zwei qualvoll endlos erscheinende Minuten später entkomme ich dem Purgatorium und schwöre dem Bikram Yoga auf ewig ab!

Vier Tage später trudle ich erneut ein. Diesmal nehme ich die Dinge lockerer, lasse mich nicht stressen und mache die Übungen mit, wie es gut für mich ist bzw. setze mich hin und ruhe mich aus, wenn mir danach ist.

Bikram Yoga ist eine gute Sache: Man entschlackt, dehnt sich, stärkt die gesamte (!) Muskulatur, richtet den Bewegungsapparat wieder gerade, macht die Haut angenehm zart und man schläft danach wie ein Bär! Bikram Yoga ist angenehm, wenn man vorher los lässt und dann die Übungen völlig stressfrei macht. Die Übungen in der Hoffnung zu machen, dass man dann loslassen kann, erweist sich als mäßig gute Idee!

KWH

Foto: Jfbongarçon

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