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Zweitplatzierter, so what? The Show must go on
07.12.2012
Ein Theatercafé - ein Mix aus Unterhaltung, einem Ort, an dem man sich mit Freunden zum Tratschen treffen kann; an dem man etwas lauter, als es sonst in einem Theater üblich ist, sein kann; an dem man gemütlich einen Kaffee trinken kann und dabei noch einen Live-„Fernseher“ zur Verfügung hat; an dem man sich nun nach einem Arbeitsalltag entspannen und zurücklehnen kann.

Im Theatercafé „Hin & Wieder“ in der Schörgelgasse 16 hinter dem Bauernmarkt gegenüber der Oper Graz ist das Alltag.  Die Räumlichkeiten sind im englischen Stil ausgestattet - mit roten Tischdecken und rot bezogenen Ecksesseln, roten Vorhängen und Holzstühlen aus der Biedermeierzeit erinnert das Theatercafé an englische Teepartys - auch, wenn das Buffet ziemlich österreichisch ist. Zumeist fühlt sich der freie Raum, in dem man genug Platz für freie Bewegungen und Gedanken hat – im Gegensatz zu einem überfüllten Theatersaal, in dem sich die Zuschauer wie Sardinen in einer Dose aufeinander reihen, viel angenehmer. Auch lachen klappt entspannter und lockerer.

Der Anlass zur Versammlung im Theatercafé am 4. Dezember 2012 war das Kabarett von Gery Seidl, der den Grazern im Rahmen seiner Tour das Programm „Gratuliere“ präsentierte.

Als Thema des Abends wurden gesellschaftlichen Fragen zur Diskussion gestellt. Ein Familienleben wurde unter die Lupe genommen. Eltern sind verheiratet, sie haben einen Sohn. Skeptisch erzählt Gery Seidl von der Frau, die unbewusst über seine Zeit - die Zeit eines Berufstätigkeiten - verfügt, sich in Stresssituationen nicht anstrengt, ihr Hirn einzuschalten. Als Ergebnis wird der Ersatzschlüssel fürs Auto in der Mittelkonsole des Autos gelassen, weil er für die Dolce & Gabbana Tasche, in der im Urlaub Sonnencreme, Sonnenschirm, Ersatzschwimmanzug, Schlapfen, Kleidung etc hineinpassen, zu schwer ist. Dabei lässt sich Gery Seidl bei seiner Darstellung nicht einschränken. Es darf übertrieben aussehen, sogar seinem Gesang erlaubt er einige falsche Töne. Denn es soll kitschig sein. Keine Macke wird versteckt. Entweder man wühlt sich im Sand wie eine Schlange, die sich ihren Weg durch eine Wüste erkämpft, oder man verliert an Bodenhaftung und macht sich abhängig wie diese Frau.

Nicht zuletzt ist die Darstellung der Frauen im Kabarett von Gery Seidl einer Erwähnung wert. Denn es sind keine Freiheitskämpferinnen wie Sisi, die ihrer Zeit voraus war und gegen die damaligen ungeschriebenen gesellschaftichen Gesetze für Frauen, die sich auf Ehe und Mutterschaft zu beschränken hatten, auflehnte. Die Frauen, von denen der Kabarettist spricht, sind nicht ganz dicht auf der Höhe. Sie spielen blöd oder sie sind blöde Tussis, die nicht mal für ihre Kinder sorgen können, keine Verantwortung übernehmen und es nicht besser wissen, im Stress der Situation entsprechend zu handeln. Und bringen den Ehemann mit den Worten ähnlich eines Satzes: „Entschuldigung, Schatzi, ich habe deinen Schlüssel in der Früh unabsichtlich eingesteckt und jetzt gesehen, dass du mich zig Mal angerufen hast. Es tut mir äußerst leid, dass ich dich warten ließ“ zum Verzweifeln. Von Frauen spricht Gery Seidl nichts Positives. Von Männern eigentlich auch nicht.

Er spricht vom Leben wie von einer harten Pille, von einem Traum, um den zu erreichen man sich eine Extremität ausreißen müsste.

Neben dem Mann-Frau-Thema spricht Gery Seidl vom Tod und wie man diesen so unterschiedlich wahrnimmt. Eigentlich abhängig davon, wie man lebt.

Um das Thema „Das Leben ist ein Traum“ bunt zu verfärben, sprich er das Thema Werbung unter anderem an. „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein" oder auch die gelben Engel kommen in seiner Vorführung mehrmals vor.

Ist ein Zweitplatzierter ebenfalls ein Gewinner? Oder doch ein Verlierer? Durch Vergleiche, Beobachtung und Analyse kommt Gery Seidl zu einer Schlussfolgerung, dass „fast“ nichts ist.

Die Conclusio des Kabaretts „Gratuliere“ ist: Auch, wenn das Leben oft kein Honigschlecken ist und man oft auf Menschen trifft bzw. mit diesen zusammenlebt, die man einfach nicht ernst nehmen kann, so kann man zumindest darüber lachen. Eine unter den Zuschauern Anwesende - vermutlich eine Bekannte von Gery Seidl aus seiner Jugend - die aus der ersten Reihe unaufhörlich unnötige Kommentare abgab, wurde unverzwickt zum Beweis der oben beschriebenen Tatsache.

(vs)

Fotos: Martin Moravek
     

die-frau.de