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Momentaufnahmen des Meisters
22.05.2011
Im ersten Kapitel schreibt Rainer Bratfisch wahrheitsgemäß, dass es bereits unzählige Bücher zu Bob Dylan, dem Meister, „His Bobness“, seiner Musik, seiner Person, seinem Einfluss auf die Pop-, Rock- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts gibt, und er beantwortet seine Frage, ob also schon alles gesagt und geschrieben sei, was es dazu zu sagen und zu schreiben gibt, selber mit einem lauten (und groß geschriebenen) „NEIN!“ In der Folge dieses ersten Kapitels hat man den Eindruck, auch Bratfisch glaube, noch weitere Deutungen dieses Ausnahmekünstlers und seines Werkes zu Papier bringen zu müssen. Doch daran hält er sich in „Bob Dylan: Bilder eines Lebens – Die frühen Jahre“ nicht. Und das ist auch gut so.

Vielmehr liegt die Konzentration auf den Fotos so bekannter Fotografen wie Michael Ochs, Elliott Landy, Barry Feinstein, Frank Diggs und vielen anderen, lediglich begleitet von kurzen Texten, die die Bilder in einen historischen, vor allem aber privaten Kontext setzen. Auch wenn der vorliegende Bildband in Jahre unterteilt ist (1961 bis 1970) und sich so am ersten Jahrzehnt der immer noch andauernden Karriere Bob Dylans entlanghangelt, wird nicht der Versuch unternommen, eine Kurzbiografie zu verfassen, die doch nur an der Oberfläche hätte kratzen können. Stattdessen sind die Texte zu den Fotos genau wie die Fotos selbst Momentaufnahmen, kurze Einblicke in eine turbulente Zeit, Details, die sonst vielleicht verloren gingen. Und damit wurde genau der richtige Ton zu den ausgewählten Bildern gefunden. Fast hat man den Eindruck, es handele sich um Schnappschüsse aus den Privatalben Dylans, die hier zusammengetragen wurden: ein Musiker im Studio, beim Schreiben, mit Freunden, in Autos, unterwegs… Keine perfekt inszenierten, retuschierten und bearbeiteten Bilder, wie man sie vielleicht erwarten würde.

Doch der Unterschied zum Familienalbum liegt in den Fotografen, von denen die Bilder stammen: Kaum einer der ganz großen Fotokünstler aus den 60er Jahren fehlt, und so mischen sich höchste künstlerische Qualität mit dem intimen Einblick in das Leben eines Menschen, der zufällig einer der bedeutendsten Musiker und Songschreiber der vergangenen Jahrzehnte werden sollte. Man verfolgt einen Mann über zehn Jahre und sieht, wie er sich entwickelt. Während Dylan anfangs noch ein jungenhaft schüchternes Lächeln zeigt, wird dieses spitzbübischer, wissender, bis man einen ernsten Mann sieht, der weiß, dass er unter ständiger Beobachtung durch Medien, Fans und nicht zuletzt die Fotografen hinter der Kamera steht. Dass dabei das Jahr 1970 als Abschluss gewählt wurde, kann nur lobend hervorgehoben werden, schließlich begann auch für Dylan mit diesem Jahr eine neue Ära, er verabschiedete sich von seinem Image des Protestsängers und der Stimme einer Generation, ohne weiterhin auf das Auftreten des ewigen Rebellen angewiesen zu sein, hin zu einem Musiker, der bis heute seine Beudeutung und künstlerische Kraft mit jedem Album immer wieder unter Beweis zu stellen imstande ist. Und so wirkt Dylan auch gerade auf diesen letzten Bildern des Buches, geschossen von Elliott Landy, frei, angekommen, entspannt. Bereit, einer Zukunft entgegen zu sehen, die, wie wir heute wissen, noch vieles zu bieten haben sollte.

„Bob Dylan: Bilder eines Lebens – Die frühen Jahre“ zeigt einen leichten Einblick in ein paar Jahre aus dem Leben Bob Dylans, es zeigt aber auch einen ganz normalen Mann, der erwachsen wird und zu sich selbst findet. Und nicht zuletzt glänzt es durch hevorragende Fotografien, die auch vollkommen unabhängig von Dylan ihren Wert in der Geschichte der „wilden“ 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben. Also: Nicht nur was für Dylan-Fans. Erschienen bei Schwarzkopf & Schwarzkopf, Mai 2011 (ISBN 978-3-86265-045-3).

(rb)

Fotos: Scharzkopf & Schwarzkopf

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