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Parental Advicory: Explicit Content
07.12.2014
Unter der musikalischen Leitung von Marius Burkert und einer Inszenierung von Olivier Tambosi wird derzeit Franz Lehárs Operette  "Die lustige Witwe" in Graz aufgeführt.

Im kleinen Balkanstaat Pontevedro herrscht Endzeitstimmung. Die ebenso schöne wie reiche Witwe Hanna Glawari ( Christiane Boesiger begeisterte nicht zuletzt mit dem berühmten"Vilja-Lied") , so geht das Gerücht, überlegt sich eine neuerliche Vermählung. Die Folgen für den Zwergenstaat wären desaströs, drohte doch der Staatsbankrott, sollte die Witwe ihre Millionen außer Landes heiraten.
 
 
Eine Lösung muss her. Diese kommt in Person des Grafen Danilo Danilowitsch (charmant dargestellt von Ivan OrešÄ¨anin) ins Spiel.

Lehárs Welt scheint eine verschobene zu sein. Die Frau ist reich, der Mann ist schön, das Geld steht der Liebe im Wege. Danilo und Hanna sind sich keineswegs fremd.  Die schöne junge Frau durfte einst nicht die Seine werden, da man das auf Grund von Standesdünkel für eine  Mesalliance gehalten hatte. Naturgemäß zeigt sich Hanna davon nachhaltig "not amused". Danilo wiederum würde nur zu gern die verpasste Chance nachholen, hat aber Bedenken, dass die schöne Witwe meinen könnte, er habe es nur auf ihr Geld abgesehen.
 
Am schönstes wird es dort, wo die leisen Töne regieren.  Wenn die Geigen das "Hab’ dich lieb!" flüstern, wird es auch der hartgesottensten Gender-Kämpferin warm ums Herz. Warum auch nicht?! Ein bisschen Schmalz muss ein!

Dann geh' ich ins Maxim....

Vor diesem Lied ging es gehörig rund auf der Bühne. Carla  Caminatis Kostüme stießen wohl bei Sängern und Tänzern auf wenig Gegenliebe, entledigten diese sich doch ihrer bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Strapse, überdimensionale Federfächer, Badetücher, BHs und auch das Adamskostüm als Hauptkleidungsstücke spiegelten gut das frivole Paris der Jahrhundertwende an der Schnittstelle zwischen diplomatischem Dienst und Dienst an der Diplomatie wider. Einige plumpe Anzüglichkeiten verbaler und nonverbaler Natur weniger, hätten der Aufführung allerdings nicht geschadet.

Zum gelungenen Operettenabend trug nicht zuletzt das Bühnenbild von Andreas Wilkens bei, das bisweilen den Charme einer Ostblock Disco versprühte.

Besonders erwähnenswert ist, wie immer, Sieglinde Feldhofer als Valencienne, die junge Frau des Baron Zeta (hinreißend gespielt von Götz Zemann) die von fast unverschämt überbordender Jugendlichkeit und Energie geflutet zu sein scheint.

"Die lustige Witwe" ist Unterhaltung mit zeitloser Musik und Thematik für ein Publikum quer durch alle Altersstufen. Jungredakteur Laurenz, 9, befand den Abend für gelungen und unterhaltsam, wenngleich die Akustik nicht die beste war und man so selbst die gesprochenen Passagen schwer verstehen konnte. Dies macht es für ein Kind enorm schwer, der Handlung zu folgen. Aufgewogen wird das durch spritzige Musik und das bunte, lebhafte Treiben auf der Bühne.
Schade nur, dass die lustige Witwe keine solche bleibt, sondern sich auf Desperate Housewife Niveau hinunterschläft und -heiratet. Eine Erbklausel legt nämlich fest, dass ihr Millionen im Falle einer Wiederverheiratung an den neuen Ehemann übergehen. Für eine finanziell unabhängige  Frau, die ihr Glück ohne Trauschein findet, scheint das Jahr 2014 genauso wenig bereit zu sein, wie es das Jahr 1905 war.

KWH

Fotos: Dimo Dimov

 

die-frau.de