Schwangerschaft & Kind > Baby
Kämpfen wir laufend gegen unsere Natur?
09.07.2014
Durch das Video „OP im Mutterleib – was wurde aus den Babys?“ auf prosieben/galileo sind wir auf das Thema Fötalchirurgie aufmerksam geworden. Ein sehr sensibles Thema, das nicht so nebenbei behandelt werden darf. Einerseits nehmen die Eltern des Ungeborenen ein großes Risiko auf sich, andererseits werden Fehlgeburten in der Gesellschaft nicht als etwas Natürliches gesehen.

Am Beispiel von Annelise wird in diesem Video gezeigt, was unter der Fötalchirurgie zu verstehen ist. Annelise ist eine junge Frau, die in die Schule geht, mit ihren Freunden Zeit verbringt, ihrer Mutter im Haushalt hilft. Sie ist ein normaler Mensch wie du und ich, das Einzige, was sie von uns unterscheidet, ist der Gedanke: „Was wäre, wenn ich nicht existieren würde?“. Und diese potentielle Möglichkeit ist kein pathetisches Wortspiel, sondern eine Realität. Denn der Grund, warum Annelise heute ein normales Leben leben kann, ist, weil ihre Eltern damals, vor ihrer Geburt, ein großes Risiko eingegangen sind, das sowohl dem ungeborenen Baby als auch der jungen Mutter das Leben hätte kosten können. Damals, in den 1998ern, war die Methode „Fötalchirurgie“, ins Leben gerufen durch Michael Harrison, eine Neuentdeckung, die bei vielen Misstrauen, bei vielen aber auch Hoffnung hervorrief.

Bei Annelise wurde im 6. Schwangerschaftsmonat ein Loch im Zwerchfell diagnostiziert. Wir fragten Dr. Julia Rüsch, Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychosomatik, was so eine Komplikation nach sich zieht. „Ja, es ist gefährlich, denn die Organe des Bauchraumes wandern nach oben und behindern die Ausbreitung und Entwicklung der Lungen – wenn diese aber nicht voll entwickelt sind, stirbt das Baby nach der Geburt.“ Seitens Michael Harrison wurde Annelises Mutter eine Operation im Mutterleib angeboten. Alle, denen die junge Mutter darüber berichtete, waren skeptisch und hielten sie für verrückt, denn es bedeutet nicht nur Gefahr für den Fötus, sondern auch für die schwangere Frau. Ihre Frauenärztin sagte, sie sei noch jung und bekomme noch viele Kinder.

Die Operation verlief jedoch glatt, die junge Mutter durfte aber danach zwei Monate lang ausschließlich liegen. Dabei werden Aktivitäten während der Schwangerschaft nicht untersagt, sondern sogar befürwortet. „Durch die Bewegung wird der ganze Körper mit mehr Sauerstoff versorgt, Muskeln werden aufgebaut, die Kondition bleibt erhalten oder verbessert sich sogar, wodurch die Geburt leichter wird!“, so Dr. Julia Rüsch. Mehr dazu im Artikel „Kelly Rowlands Baby Workout“. Dann folgte ein Kaiserschnitt. Annelise ist heute eine junge Frau, deren Mutter stolz und glücklich darüber berichtet, dass als einzige Erinnerung an die Operation die Narbe an ihrem Hals geblieben ist. Und Asthma. Schaut man sich die Folgen eines Eingriffs in den natürlichen Gang der Dinge an - zwei Monate Bettruhe vor der Entbindung , als Folge davon Kaiserschnitt, und schließlich Asthma, wird man skeptisch. Es müssen einer werdenden Mutter die möglichen Folgen eines Eingriffs in den Lauf der Natur bewusst sein. Jedoch andererseits: „Was ist besser? Leben mit Asthma oder nicht leben? Natürlich ist jede Operation ein Risiko und ein Eingriff in die Natur“, so Dr. Julia Rüsch. Und dem kann man kaum widersprechen. Denn Annelise hat durch das Risiko, dass ihre Eltern auf sich genommen haben, eine Chance bekommen: sie lebt und weiß, dass ihre Eltern wie Löwen um sie gekämpft haben. Andererseits, was wäre, wenn die Operation schief gelaufen wäre und die junge Frau danach keine Kinder mehr bekommen könnte? Und weitere Frage: sind Fehlgeburten denn nicht etwas Natürliches?

Wenn ein neues Alphamännchen kommt, rufen die Weibchen in der Gruppe eine Fehlgeburt hervor

Im Tierreich gehört eine Fehlgeburt zum natürlichen Gang der Dinge. Forscher haben am Beispiel von Pavianen nachgewiesen, dass ein Alphamännchen, das neu in eine Gruppe kommt, den Nachwuchs, den sein Vorgänger gezeugt hat, tötet, um seinen eigenen Genen den Vorzug zu geben. So sichert er die Verbreitung seines Erbgutes ab. Viele Weibchen in so einer Situation bevorzugen es ihre Schwangerschaft lieber selbst zu beenden. Es kommt also zu einer Fehlgeburt. Diese Gesetzmäßigkeit setzt sich bei den Nagetieren fort.

Das Dilemma sind die Untersuchungen

Dr. Julia Rüsch:

„Auch wenn Fehlgeburten etwas Normales sind, sind sie eine große Belastung für die Mutter. Auch für das kommende Kind, da die Angst der Mutter, das Kind wieder zu verlieren, groß ist. Das kann auch gravierende Folgen haben.

Das Dilemma beginnt schon bei den Untersuchungen, die das Loch im Zwerchfell festgestellt haben. Dadurch beginnt die Belastung und so musste sich die Mutter entscheiden. Sie hat alles riskiert, auch ihr Leben.

Ob sich ein Loch im Zwerchfell, wenn man es nicht weiß, wieder schließen kann und dann ohne die Belastung des Wissens das Kind doch gesund auf die Welt kommt, ist eine philosophische Frage.

Kommt heute (mit dem Wissen durch die Untersuchung) nicht mehr vor.

Wie gesagt, das Dilemma ist die Mitteilung: ´Ihr ungeborenes Kind hat das oder jenes.´ Damit muss die Mutter umgehen – in dem sie alles oder nichts tut.“

Frauen bekommen gesunde Kinder in Zügen und setzen ihr „normales“ Leben fort

Dr. Julia Rüsch:

„Die Frauen, die in Zügen Kinder auf die Welt bringen, sind etwas ganz anderes! Die lassen die Kinder alleine,  bringen sie sozusagen um, da es ihnen egal ist, was mit ihnen passiert. Die kommen problemlos auf die Welt und sind gesund. Warum sollten diese Frauen zweifeln, dass die nächste Schwangerschaft nicht auch so problemlos verlaufen sollte?“


Das Conclusio: Einerseits sind Untersuchungen ein Fortschritt, andererseits greifen wir damit in den natürlichen Gang der Dinge ein. Wer weiß, ob nicht der Stress durch die entdeckten Krankheiten uns mehr Anstrengung und Gesundheit kostet als wenn wir darüber nicht in Kenntnis gesetzt wären. Man sollte zumindest immer eine Wahl haben.



VS

Foto: CathyK

die-frau.de