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Nichts kann man emotional nachholen
28.04.2014
Ein erfolgreicher Unternehmer erzählt einem Gleichaltrigen, dass er nun mit seiner 87-jährigen Mutter, der Vater ist vor einem Jahr gestorben, die Zeit, die er jetzt mehr hat, weil er geschieden ist und mit den Kindern der Kontakt dadurch, dass die alle schon 30, 40 Jahre alt sind und selber Kinder haben und auch aus anderen Gründen, etwas distanzierter ist und dass er auch den Kontakt mit den Geschwistern, da er durch den Aufbau seines Unternehmens kaum Zeit hatte, nachholt. Oder wieder gutmacht oder wie man das formuliert.

Der Andere sagt daraufhin: „Man kann nichts nachholen.“  Der erfolgreiche Unternehmer sagt: „Nein, das stimmt nicht. Wenn ich heute etwas nicht erledigt habe, dann hole ich es am nächsten Tag nach und erledige es morgen.“ Darauf wieder der Andere: „Genau, das ist es. Emotionales kann man nicht nachholen. Man kann die Emotion, die man heute versäumt hat, die ist versäumt, der Tag, die Lebenszeit, die ist einfach weg. Das kann man morgen nicht nachholen.“

Und erzählt dazu folgenden Sachverhalt:

Er hat seinen 11-jährigen Sohn nach Hause gebracht. Sein Sohn wohnt bei der Mutter und wie das seit der Geburt so ist, der Vater hat dort nie gewohnt, den sieht er nur täglich und verbringt den Tag auch mit dem Vater und bei Bedarf auch die Nacht. Jedenfalls hat er den 11-jährige Sohn am Ostersamstag nach Hause gebracht und hat ihn gefragt, was er noch macht und ob das eh okay ist, wenn er jetzt mit 11 Jahren alleine zu Hause bleibt - es war so ca. 20:00 Uhr bis 20:30 Uhr - und wartet, bis die Mutter aus der Ostermesse nach Hause kommt. „Ja, kein Problem, er macht jetzt seine Hausaufgaben, die ihm seine Hauslehrerin ans Herz gelegt hat. Das ist insofern eine Sondersituation, als er eine Hausaufgabe von seiner Hauslehrerin will und daher ist beauftragt das falsche Wort, sondern es ist halt einfach Teil der Kooperation, die er mit seiner Hauslehrerin hat. Der 11-Jährige studiert schon Geschichte, war nie in der Schule, war nie im Kindergarten, macht einmal im Jahr seine Prüfungen und seine Sozialkontakte hat er über Reiten, Karate, Turnen, Geschäft, Büro und Freunde, die kommen. Er hat aber nicht mit einer Klassengemeinschaft und daher auch mit keinem Klassenmobbing Erfahrung. Jedenfalls verabschiedet sich der Vater und fährt weg. Der Sohn ruft eine halbe Stunde später an und fragt: „Weißt du, wie lange die Messe dauert?“ Der Vater merkt, dass sein Sohn geweint hat und fragt ihn: „Was ist los? Hast du geweint?“ Der Sohn antwortet nicht. Der Vater fragt noch einmal: „Hast du geweint?“ Ja. Die Ostermesse wird länger dauern, ich bin schon seit einer halben Stunde weg, kann aber auch zurückfahren, ich brauche halt eine halbe Stunde. Ich kann aber auch anrufen, dass die Mutter deines Bruders oder ein Freund der Familie jetzt sofort zu dir kommt, bis deine Mutter aus der Ostermesse kommt, die vielleicht nicht nur eine Stunde, sondern zwei Stunden dauert. Es kommt dann noch zu einer Diskussion über die mögliche Dauer der Ostermesse. Dem Vater sagte der Sohn, er mache sich eben Sorgen um die Mutter; es wird schon gehen. In der Folge hat sich dann die Mutter, die zuerst telefonisch nicht erreichbar war, weil sie während der Messe ihr Handy ausgeschaltet oder lautlos gestellt hat, gemeldet und hat ihm mitgeteilt, dass die Messe noch länger dauert, aber sie kommt nach Hause, weil der Sohn angerufen hat.

Jetzt geht es darum, was man nachholen kann. Die Tatsache, dass er seinem Sohn nicht beistehen konnte, als er Tränen hatte, weil ihn etwas bewegt hatte, das kann er nicht nachholen. Da war er einfach nicht da; Punkt fertig. Und egal, warum er nicht da sein konnte, es ist weder gut zu machen, noch nachzuholen, es ist einfach geschehen.

Im emotionalen Bereich kann man nichts nachholen. Jeder neue Tag ist eine neue Chance, aber keine Chance um etwas nachzuholen.


BW

Titelbild: "Fragile Emotion" (zugeschnitten), Mount Olivet Cemetery, Nashville, Tennessee. Urheber Don from Murfreesboro, TN (wikimedia commons)

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