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Kreativität bedeutet das Sprengen des Schachteldenkens
22.02.2014
Beim ersten Blick auf die Bilder, die die Ausstellung „Böse Dinge – Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“ im Wiener Hofmobilien Depot ankündigen, denkt man an die Angst vor dem Weiblichen. Jedoch entkräftet der Blick auf die gesamte Ausstellung jeden Verdacht auf eine Hexenjagd. Unbewusst oder bewusst werden hier jedoch unter anderem auch weibliche Attribute als Zeichen gesetzt.

Die Ausstellung „Böse Dinge – Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“ basiert auf 50 Objekten aus der Sammlung des Pazaurek´schen „Schreckenskabinetts“ von 1909. Was als böse kategorisiert wird, muss den vier Kriterien des Bösen von Gustav Edmund Pazaurek, dem Kunsthistoriker, Mitglied des Deutschen Werkbundes und ab 1906 Vorstand der kunstgewerblichen Abteilung im Landesgewerbemuseum Stuttgart, entsprechen. Diese lauten: Materialfehler, Konstruktionsfehler, Dekorfehler und Kitsch sowie zahlreiche weitere Unterkategorien. Als ein harscher Kritiker aller Gegenstände, die den Rahmen seiner Idealvorstellungen sprengen, ist er für solche Sprüche wie „abnorme Formen“, „Materialvergewaltigung“, „funktionelle Lügen“, „Schmuckverschwendung“ bekannt.

Die Ausstellung „Böse Dinge – Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks“, die im Wiener Hofmobilien Depot zu sehen ist, zeigt noch weitere 450 Gegenstände, die durch Imke Volkers vom deutschen Werkbund und ihre Kolleginnen frei nach Pazaurek´schen Kategorisierungskriterien zusammengestellt wurden. Bei den modernen Dingen wurden noch weitere Kategorien, die mit „Kinderarbeit“, „Umweltverschmutzung“, „überzogenem Exklusivitätsgehabe“, „Sexismus“ , „Rassismus“ etc. assoziierbar sind ins Programm gezogen. Auch politisch orientierte Sachen wie Ballerinas mit einer Abbildung von Barack Obama wurden ins Visier genommen.

Gegenstände wie Salz- und Pfefferstreuer in Form von weiblichen Brüsten, Teeschalen,  Klebebandspender in Form des weiblichen Körpers oder Holzzünder, die beim Aufmachen eine Frau mit breit gespreizten Beinen zeigen, kamen uns als Beiheft zu den gefragten Pornoheften vor. Aufgefallen ist uns ein Schnurrbartkamm aus dem  20. Jahrhundert, der als weibliches Bein mit Stöckelschuh und einem halterlosen Strumpf geformt ist. Dieser ist nämlich als fehlerhaft in seiner Konstruktion zugeordnet und liegt abseits aller als sexistisch bezeichneten Dinge. Von Frau Volker wird er sogar als ein Must-have betitelt. Wir hätten ihn auch gerne in unserer Schmuckschatulle. Den Schnurrbart können unsere Stirnfranzen ersetzen, und jedes Mädchen nimmt ihn gerne für die Puppen. Aber ästhetisch und proportional zum Anschauen ist der Kamm ebenfalls.

Anzumerken ist, dass nicht alles, was die Grenze sprengt, sofort als böse bezeichnet werden kann, sondern einen Anstoß auf Kreativität und „aus dem Schachteldenken ausweichen“ bedeutet. Der Sinn der Kreativität bedeutet nicht, dass man bestimmten Rahmenbedingungen folgt, sondern diese sprengt und eigene Ideen verwirklicht.
 

 VS


Fotorechte: Werkbundarchiv - Museum der Dinge/ Armin Hermann
Titelbild: Schnurrbartkamm in Gestalt eines Frauenbeins Herkunft unbekannt, um 1900
Bild Nummer 1 im Text: Unterleib-Aschenbecher, 2009
Bild Nummer 2 im Text: USB-Stick in Sushi-Form, China, 2009, CEC Promotion, Deutschland
Bild Nummer 3 im Text (rechts): "Penispuschen pink"
Bild Nummer 4 im Text (links): Bocksbeutelflasche beklebt mit patriotischen Motiven und Münzen Wahrscheinlich Österreich um 1915

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