"Sagen Sie mir, eines würde mich jetzt interessieren: Warum trennen Sie sich eigentlich nicht?"
Mit dieser Frage beschäftigt sich wohl jeder im Zuschauersaal des Schauspielhauses Graz während der Vorstellung "Die Wunderübung". Wenn ein Paar zu einer Paartherapie geht, muss es das Ende der Beziehung heißen.
Im Therapieraum wird gestritten, gerauft, geweint, gelacht. Es kommt vor, dass nach 30 Jahren des Zusammenlebens das Streiten das letzte ist, was die Beziehung noch am Leben hält und diese auf seine eigene Art und Weise charmant macht.
„Sie hört nicht auf, er hört nicht zu.“
Joana (Margarethe Tiesel) und Valentin (Franz Solar) spielen Rollentausch:
Joana alias Valentin: Was gibt´s zum Essen?
Valentin alias Joana: Wie immer. Nichts. In diesem Haus wird nur für Kinder gekocht. Für pubertierende Teenager, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als vor dem Computer zu sitzen. Sie sind im Wachstum. Du bist ausgewachsen.
Joana: Das würde ich so nie sagen.
Valentin: Das würdest du nicht sagen, das denkst du aber.
Joana: Du sollst aber nicht sagen, was ich denke, du sollst sagen, was ich sage. Denken tue ich ganz allein für mich.
Therapeut (Johannes Silberschneider): Machen sie einfach weiter. Kommen Sie besser in ihre Rollen hinein.
Die süße Qual
Was einem Lachfalten bereitet, ist für die anderen bittere Realität. Man sieht sich selbst viel zu selten von der Seite und spricht viel zu selten aus, was einem auf der Zunge liegt, Frau bemuttert den Mann, Mann fühlt sich einerseits bequem mit der Bemutterung, andererseits weniger Mann, man ärgert sich so lange, bis der Geduldsfaden platzt. Und dann – schwupp-di-wupp – sitzt man in einer Paartherapiestunde.
Jeder sieht Probleme nur im anderen, die eigenen Fehler, Macken fallen einem gar nicht so auf. Das Zusammenleben von Joana und Valentin Dorek konzentriert sich auf das Herauspicken von Fehlern, die der andere tagtäglich macht, und auf das Hinweisen, wie unvollkommen der andere ist. Im Endeffekt kommen beide drauf, dass ständig bissig zu sein niemanden glücklich macht und dies nur noch mehr Migräne bereitet.
Ganz wichtiges Thema: die Sexualität. Für den Mann ist diese gleich wichtig wie beim ersten Treffen, für die Frau hat diese Wichtigkeit mit der Zeit nachgelassen, was sie allerdings nicht weniger beschäftigt, denn die Rolle als Mutter von drei Kindern (zwei Teenager und dem Mann) macht sie wenig glücklich.
Passend zum Thema - die Bühnendekorationen, die bis auf ein Minimum eliminiert wurden und sogar die Sicht auf die Bauarbeiten hinter der Bühne ermöglichen.
Das Stück macht einem Lachfalten. Gleichzeitig wird man auf die eigene Situation aufmerksam: Bin ich das? Die Joana?
Am Ende bleibt allerdings immer noch die einzige Frage offen: „Warum TRENNEN Sie sich nicht???!!!“
vs
Fotos: Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz