Wie man sich sinnlos durch Beamtenkreise kämpft.
Es ist bizzar, gleichzeitig aber traurig und peinlich, dass die
amtlichen Behörden das Wohl und vor allem das was für jemanden einen
höheren Wert hat und von großer Bedeutung ist, überhaupt nicht kratzt.
Meine
Prüfungen waren im Visier. Eine davon in Englisch, für die ich alle
Folien von der e-learning Seite händisch abgeschrieben und ausgedruckt
habe. Es war Freitag, am Dienstag war die erste Prüfung. Zusammen mit
der Babysitterin meines Sohnes bin ich mit der Straßenbahn Richtung
Mariatrost zur Englisch-Nachhilfe gefahren. Meinen Sohn und meine Mappe
auf dem Schoß oder in der Hand haltend, bin ich nach zwei Stunden des
Übens zurück in die heiße Stadt gekehrt. Auf der Rückfahrt vertraute ich
Bettina (Babysitterin, Name von der Redaktion geändert) meine Mappe an,
weil ich meinen verdursteten Sohn gestillt habe. Am Jakominiplatz
angekommen bewegte ich mich Richtung Nachhause. Schnell merkte ich, dass
irgendetwas fehlt. Da ich meinen Sohn immer noch auf dem Arm gehalten
habe und sein fröhliches Quietschen gehört habe, habe ich gleich an die
Mappe gedacht und mein Blick hat sich mit dem der verschreckten Bettina
getroffen. Ich bin in der Annahme, wenn etwas in der Straßenbahn
verloren geht, kann man es für immer vergessen, das verlorene Stück
bekommt man nie zurück, fast in Panik geraten. Die Hoffnung stirbt
bekanntlich zuletzt. Zum Glück ist die Elektrizität in der Straßenbahn
abgestorben und man konnte die orange Mappe unverletzt und im Beisein
der Zeugen aus ihrer „Haft“ befreien… Selbstverständlich nur ein Schmäh,
wäre jedoch ein abenteuerlustiger und anlockender Schmäh gewesen.
Nach
einer ausführlichen Beratung bin ich zum Jakominiplatz gegangen, um
nach dem Vorsitzenden Schaffner für heute nachzufragen, und ihn zu
beauftragen, eine Ansage durchzuführen. In einer gelangweilten
arroganten Position, mit an der Brust verkreuzten Armen gerückt, wollte
mit der Beamte keine Informationen über den Vorsitzenden (seine
Auskunft: es gibt nämlich keinen) geben. Ich soll morgen vorbei kommen
und nachfragen, ob etwas gefunden wurde. Etwas geschockt durch sein
Verhalten, jedoch in der Annahme, ein Beamter hat immer Recht, bin ich
zurück, wobei ich nach einer geistigen Watsche wegen der Dummheit und
Leichtigkeit, mit der ich zulasse, dass Leute mich um den Finger
wickeln, bin ich etwas festeren und sicheren Schrittes zum Jakominiplatz
gegangen. Ich habe nach dem Namen des Beamten gefragt, mit dem ich
gesprochen habe, wobei er mir nur seine Dienstnummer bekannt gegeben
hat. „Es ist alles drinnen“, meinte er darauf. Nach meiner Bitte eine
Ansage in den Straßenbahnen der Linie 1 (mit der ich eben zurück von
Mariatrost gefahren bin) zu machen, ist er in ein grollendes Lachen
ausgebrochen. Ich sei verrückt und naiv, zu glauben, er macht einen
Wirbel wegen IRGENDEINER Mappe. Sonst steht morgen der Nächste vor ihm
und fragt nach seiner Sonnenbrille. Ich habe ihm die Situation
geschildert und mehrmals die Wichtigkeit dieses Wertstückes betont! „Um
die ganzen Unterlagen wieder zusammenzusammeln werde ich mehrere Wochen
brauchen und der Prüfer wartet nicht bis dahin“, ich beharrend. Alle
Bemühungen für nichts. „Wäre sie Ihnen so wichtig, hätten Sie sie nicht
verloren.“, seine Antwort. Ich war verärgert, doch schließlich hat er
Recht gehabt. Ich wollte schon die Suche aufgeben, jedoch wurde mir
gesagt, ich muss wissen ob mir die Mappe wichtig ist oder nicht, um
entsprechend zu handeln. Also führte meine Suche zur Polizeistation in
der Schmiedgasse. Die Frau, eine Polizistin, die mir wiederrum nur ihre
Dienstnummer gegeben hat, meinte, auch wenn mir eine Sache sehr wertvoll
und wichtig ist, kann sie leider nichts weiteres machen und sagen,
außer ich soll mich an die Fundstelle wenden, von der ich gerade
gekommen war. Meine Suche drehte sich im Kreise. Auf dem Weg zurück hat
mich Bettina angerufen. Die ganze Zeit hat sie ihren Posten bei der
nähesten Haltestelle besetzt und auf die Straßenbahn gewartet, die nach
ihrer Rundreise wieder einmal an ihr vorbeifahren sollte. Die so
kostbare orange Mappe hat sie nicht gefunden. Der Schaffner hat ihr
gesagt, dass er eine orange Mappe bereits entdeckt und an die Fundstelle
weitergegeben hat. Fröhlich und glücklich ist sie dahin marschiert und
hat tatsächlich die Mappe bekommen, die so sehnlich gesucht wurde.
Meine Annahme war jedoch bis vor einigen Tagen nach dem Fund, dass sie die Mappe direkt aus der Straßenbahn herausgeholt hat.
Immerhin
zeigt meine "heitere" Suche nach der Mappe, dass die Untätigkeit der
Beamten unser Leben nicht leichter macht. Es hat mich gekränkt,
geärgert. Sollte man Verständnis dafür haben, dass die Beamten kein
Interesse an den Bürgern haben? Wie kommt es dazu, dass auf das
Wertvollste eines Einzelnen buchstäblich geschissen wird? Ist das
Wertvollste eines Einzelnen für das Land nichts wert? Warum werden die
sachlichen Dinge über das Geistige gestellt?
(vs)